Mittwoch, 19. Januar 2011

Kopf und Herz

Im letzten Aufsatz "Wer ist Gott" habe ich dargelegt, dass Gott allein die Liebe und daraus hervorgehend das eigentliche Leben ist. Wer nun wirklich begriffen hat, dass dadurch Gott in einem jeden Menschen lebt, ja, leben muss, dann hat dieses Begreifen nichts mit dem Verstand zu tun. Wer diesen erwähnten geistigen Sachverhalt erkannt hat, der hat dies in seinem Herzen erkannt. Dieses innere Erkennen der geistigen Zusammenhänge hat nichts mit Intelligenz zu tun und ist kein eigenes Wirken. Das Erkennen, das "Ahaa!" ist inneres Licht, es ist der erwachte (erweckte) und sich entwickelnde Geist, welcher in seinem eigentümlichen Forschen nach den Tiefen des Reiches Gottes wieder fündig geworden ist. Jede Erkenntnis des Geistigen Lebens findet im Herzen statt. Dabei ist es nicht der Mensch, sondern es ist die Geistige Führung, Christus, welcher dem Geist mehr und mehr Licht gibt und das in dem Masse, wie es der Mensch durch seine Lebensführung zulässt.

Der Kopf, und damit meine ich den kalten Verstand, hat mit dem Geistigen Leben nichts am Hut. Es ist auch nicht die Aufgabe des Verstandes, dass dieser das Geistige Leben erforschen und verstehen soll. Der Verstand ist alleine auf das natürliche Leben ausgerichtet und muss sich in der Welt der Zeit, des Raumes, der Physik und der Chemie zurechtfinden. Der Verstand mit seiner Fähigkeit des logischen Denkens ist eng mit dem Gehirn, beziehungsweise mit den dort gespeicherten Daten verbunden. Er ordnet, vergleicht, analysiert und komplettiert Fakten und Möglichkeiten. Der Verstand ermöglicht es der im fleischlichen Leib gefangenen Seele ein Haus zu bauen, zu kommunizieren, sich zu bewegen, kurz, in der materiellen Welt zu leben. Ohne Verstand wäre die eingefleischte und natürlich lebende Seele in der Materienwelt so ziemlich verloren.

Das Herz hingegen ist der Sitz der Empfindungen, der Ort, wo Gedanken entstehen, welche dann sofort in den Kopf, ins Gehirn, weitergeleitet werden. Die Art dieser Gedanken entspricht genau der Art der Kräfte oder Wesen, welchem das Herz (durch den menschlichen Willen hervorgerufen), ausgesetzt ist. Deshalb sind die Empfindungen wie Liebe, Demut, Frieden, Harmonie, Sanftmut (oder das Gegenteil dessen) im Herzen zu Hause. Alle diese Attribute haben einen großen Einfluss auf das Handeln, eben dem Verstand, durch die Vernunft. Ist die Vernunft eines Menschen ausgeprägt, so unterzieht sich der Verstand des besseren Einflusses des Herzens.

Ist aber der Mensch ein eingefleischter Materie-Mensch, also sein ganzes Interesse (und damit seine Herzens-Liebe) auf die Materie gerichtet, so ist sein Verstand sein einziger Massstab im Leben und Empfindungen, gleich welcher Art, bedeuten ihm nicht viel, ausser diejenige der Selbstliebe. Ein Einfühlen in andere Menschen ist kaum möglich.

Da nun der Verstandesmensch sein eigenes Weltbild, die Zusammenhänge aller sichtbaren Kräfte und Energien dieser Welt erkennen und erklären will, so hat er sich eine Wissenschaft zurechtgelegt. In unendlich vielen Fakultäten wähnt er nun die Welt zu verstehen oder es zumindest zu versuchen, sie zu verstehen. In Physik und Chemie mag das ja zum Teil noch funktionieren, aber bei den Geisteswissenschaften scheitern alle diese kläglichen Versuche. Medizin und Theologie, welche nur zum kleinsten Teil mit der Materie, vielmehr aber mit dem Geistigen Leben zu tun haben, hätten eigentlich in den Fakultäten nichts zu suchen!

Wie oben schon ausgeführt, kann das wahre Erkennen Gottes und damit des Lebens einzig und alleine nur im Herzen stattfinden und das ist vom angeeigneten Wissen fast gänzlich unabhängig. Der Verstand, also die Wissenschaft, erforscht zum Beispiel unaufhörlich Krankheitsursachen im materiellen Leib. Das ist aber begreiflich, weil diese Forscher vom Geistigen Leben nichts wissen wollen, da es nicht bewiesen werden kann. Für diese ist es absurd, dass jede Krankheit des Leibes eine Ursache in der Seele haben muss, ansonsten der Leib nicht krank würde. Würden die Gelehrten diese geistig-seelischen Zusammenhänge verstehen, so wäre diese Wissenschaft ihrer Existenz beraubt.

Das Wissen, das von aussen kommt, geht in den Kopf und wird vom Verstand bearbeitet. Es ist absolut möglich, sich viel Wissen anzueignen. Was aber damit auf der Strecke bleibt, sind die Zusammenhänge, das ganzheitliche Erkennen. So ist und bleibt das Wissen der Wissenschaften immer und ewig nur Stückwerk.

Etwas ganz anderes ist es, wenn das Wissen nicht außerhalb von uns gesucht wird, sondern innerhalb, im Herzen, im Empfindungsleben. Hier muss man nicht mühsam die Lektionen durcharbeiten, sondern man erkennt in Gedankenbildern. Alles, was der Mensch zum Leben in dieser Welt wissen muss, könnte er im Inneren erfahren. Mit dieser Aussage ist mir klar, dass jetzt der eine oder andere den Kopf schüttelt. Aber es ist schon so: alles Wissen haben wir bereits in uns. Die Frage ist nur, wie dieses umfangreiche Wissen aktiviert wird, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Dabei geht es natürlich nicht nur um das Wissen, welches wir hier mehr als Weisheit bezeichnen möchten, als viel mehr auch um die Geistigen, ja Göttlichen Kräfte.

Die Voraussetzungen für ein Geistiges Leben sind deren zwei. Erfüllt man die, so steht die Seele nicht mehr unter dem Gesetz des natürlichen Lebens (Verstand orientiertes Leben), sondern unter dem Gesetz des Geistigen Lebens oder der Gnade (Geist orientiertes Leben). Dieses Leben funktioniert dann etwas anders, weil ganz andere unsichtbare Kräfte am Wirken sind, welche dem Verstand absolut verschlossen bleiben, dem Herzen aber durch das entwickelte und geöffnete Geistesauge klar erkennbar sind.

Über die beiden leichten Voraussetzungen, um ein erfülltes Geistiges Leben zu führen, habe ich in verschiedenen Aufsätzen schon hingewiesen. Da ist zum ersten die innere Ausrichtung auf das Geistige, es ist die Liebe zum Geistigen oder einfach die Liebe zu Gott. Es ist der heisse Wunsch, die absolute Wahrheit zu erkennen, Gott über alles zu lieben. Zum zweiten ist es die konsequente Abkehr vom sinnlichen Leben, die klare Abwendung von den leiblichen Begierden, Leidenschaften und Gewohnheiten.

So tut sich der Seele bald eine neue Welt auf. Diese ist grösser und herrlicher als die verstandesmässige Materienwelt. In diesem geistigen Reich gibt es kein Chaos mehr, sondern eine Göttliche Ordnung, in welcher die Harmonie das oberste Prinzip ist. Diese Harmonie, das hilfreiche Ineinandergreifen aller Teile der unendlichen Schöpfung, die Vollkommenheit alles Geschaffenen kann dann schon im Leib auf dieser Erde erkannt werden. Es ist die Lebensvollendung, welche schon jetzt unserer Seele winkt, ja nach der unsere Seele jetzt, so lange wir noch in diesem Schulhaus, Erde genannt, weilen, zu erlangen suchen soll.

Keine Kommentare: