Mit einem Buch, das bereits in fünfter
Auflage erschienen ist, erklärt Uwe Lehnert, ehemals Ordinarius für
Bildungsinformatik an der Freien Universität Berlin, warum er kein
Christ sein will.
Ich habe einen längeren mir
zugesandten Auszug des Beinahe-Bestsellers gelesen und mein Eindruck
ist der, dass Lehnert hier in Sachen Recherche sehr gute Arbeit
geleistet hat und die Folgerungen daraus nicht von der Hand zu
weisen sind. Das Resultat der Lektüre ist für sehr viele
Wahrgheitssuchende der Zweifel. Der Zweifel an Gott und der Zweifel
an der christlichen Religion und der Botschaft des Christentums.
Diese Phase des Zweifels hat Lehnert selbst jedoch bereits
abgeschlossen, denn er fühlt für die Kirchen und dem Christentum
gegenüber nur noch Verachtung.
Aber nicht subjektive Eindrücke,
sondern auf vielen, vielen Seiten gesammeltes Beweismaterial liess
ihm keinen anderen Schritt zu, als dem Christentum den Rücken zu
kehren. Liest man dieses sehr eindrücklich geschriebene Buch, so
läuft es jedem Leser kalt den Rücken hinab. Was in den vergangenen
zweitausend Jahren auf Seiten der Katholischen Kirche und seitr
fünfhundert Jahren auf Seite der Evangelischen Kirche abgelaufen
ist, lässt sich eher mit dem Koran als mit der Bibel ergründen.
“Die
gewaltkritischen Äußerungen im Neuen Testament hatten offenbar
keine Auswirkungen auf das Handeln der Päpste und kirchlich
gesteuerten Heerführer der Kreuzzüge.”
Lehnert stellt sieben Pranger auf, an
welchen er die Kirchen stellt. Sowohl die römisch-katholische wie
auch die evangelische. Der erste ist die Verpolitisierung des
Christlichen Glaubens durch Theodosius in der zweiten Hälfte des
vierten Jahrhunderts. Dieser Römische Kaiser, so Lehnert, hatte “aus
rein machtpolitischen Gründen die christliche Lehre zur
Staatsreligion erklärt und damit die damals bestehende
Glaubensfreiheit aufgehoben”
und zitiert Rolf Bergmann: “Auch aus damaliger
Sicht konnte man das Töten eines bloß Andersgläubigen nur als Mord
bezeichnen, gleichgültig, ob im Namen eines römischen Kaisers oder
im Namen des Christengottes begangen.”
Der zweite Pranger stellen die
Kreuzzüge dar. Dem Tod der Andersgläubigen dienten dann vor allem
zwei alttestamentliche Bibelstellen, nämlich 1. Sam. 15. 3:
“Darum zieh jetzt in den Kampf
und schlag Amalek! Weihe alles, was ihm gehört, dem Untergang!
Schone es nicht, sondern töte Männer und Frauen, Kinder und
Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel.”
und Psalm 79. 5:
“Wie lange soll das noch währen, o Herr? Willst du ewiglich zürnen? Soll dein Eifer wie Feuer brennen? Gieße deinen Grimm über die Heiden aus, die dich nicht kennen, und über die Königreiche, die deinen Namen nicht anrufen ”
(Auf die beiden Verse werde ich weiter
unten noch zurückkommen)
Lehnert fragt mit Recht: Wie ist
eigentlich dieses erschütternde Fehlen an Menschlichkeit und
Mitgefühl zu erklären? Die christliche Botschaft mit ihrem
Liebesgebot, ihrer Aufforderung zum Gewaltverzicht und zur
Feindesliebe war diesen Kreuzrittern ja nicht nur bekannt, sondern
sollte und wollte doch gerade von ihnen verteidigt und verbreitet
werden!
Und gibt folgende Antwort: Die
Erklärung dürfte ganz einfach sein: Der Andersgläubige wurde nicht
als Mitglied der menschlichen Gemeinschaft angesehen, er war vielmehr
Werkzeug des Teufels und als solches zu vernichten; er war schlicht
kein Mensch, er war ein Un-Mensch! … Insofern haben sich die
Kreuzritter nur als im göttlichen Auftrag tätige Vollstrecker
längst gefällter Urteile gesehen. Für sie war wichtig, um des
eigenen Seelenheils willen das Wohlwollen Gottes zu erlangen. Hinzu
kommt, dass die Bibel im Alten wie im Neuen Testament selbst vorgibt,
wie radikal und unnachsichtig mit Ungläubigen zu verfahren sei.
Der dritte Pranger ist die wiederum
völlig berechtigte Kritik der Inquisition und gibt hier über einige
Buchseiten hinweg sehr viele der grauslichsten Folterungen wider und
kommt zum Schluss, dass die “Inquisition eine der grausigsten
Terrormaschinen, die die Erde je gesehen hat”. Womit er wohl
nicht übertrieben hat.
“Die Kirche, einschließlich der
in dieser Hinsicht ebenso hasserfüllten Reformer Luther und Calvin,
begründete ihr Vorgehen mit der Notwendigkeit, den rechten Glauben
gegen Ketzerei, Zauberei und Aberglauben verteidigen zu müssen,“
so Lehnert weiter und sieht für den Grund der Handlungsweise dieser
“Männer Gottes” die Anweisung aus dem Neuen Testament dürch
Paulus:
“Denn ich,
der ich zwar dem Leibe nach abwesend, dem Geiste nach aber anwesend
bin, habe schon, als wäre ich anwesend, über den, welcher solches
begangen hat, beschlossen: im Namen unsres Herrn Jesus Christus und
nachdem euer und mein Geist sich mit der Kraft unsres Herrn Jesus
Christus vereinigt hat, den Betreffenden dem Satan zu übergeben zum
Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am Tage des
Herrn Jesus.” (1. Kor. 5. 5)
Lehnert folgert: “Was für ein
grauenhafter und erbärmlicher Gott, in dessen Namen so etwas
geschieht und der so etwas in seinem Namen geschehen lässt!”
Pranger Nummer vier handelt von der
Judenverfolgung und dem Antisemitismus, der ja mehr oder weniger
versteckt bis heute zu Tage tritt (die “Judensau” nicht nur an
der Kirche zu Witttenberg).
Dass Luther der Mentor des alten Adolf
sei, ist ja ein offenes Geheimnis.
Fünftens nennt Lehnert die recht
unbiblische Gepflogenheit der Sklaverei unter die Lupe und schreibt
“Päpste, Bischöfe und Klöster verfügten im Mittelalter über
Tausende von Sklaven, die deren riesige Güter bearbeiten mussten. Zu
Sklaven wurden beispielsweise Kriegsgefangene, Bauern, die ihre
Steuern nicht aufbringen konnten, Kinder von Priestern.”
Im Punkt sechs prangert Lehnert –
auch hier nicht zu Unrecht – den immensen Reichtum der Kirchen an
und vor allem auch, wie sie zu diesem Reichtum kamen. Im Mittelalter
war es die Enteignung, die neben der Inquisition einherging.
Und im siebten Punkt beschreibt Uwe
Lehnert den Kindsmissbrauch der Prister und ihren Vorgesetzten, der
zu allen Zeiten, bis heute ungebrochen, nicht ein Zeugnis des
Biblischen Evangeliums sein kann.
Gläubige wie Aheisten müssen bei der
Lektüre dieses Buches zum Schluss kommen, dass die Folgerung
Lehnerts nur richtig sein kann:
“Selbst eine
nur flüchtige Betrachtung der Kirchengeschichte zeigt, dass die
Bilanz nur als katastrophal bezeichnet werden kann. Gibt es auf
dieser Erde eine Religion, die anderen Menschen so viel Leid,
Verzweiflung und Schmerzen gebracht hat? Gibt es auf dieser Erde eine
Religion, die ihr eigenes Anliegen so sehr verraten hat? Gibt es auf
dieser Erde eine religiöse nstitution, die nach einer solchen
desaströsen Bilanz es immer noch wagen würde, weltweit als
Verkünderin und Hüterin göttlicher Moral aufzutreten?”
und
“Was ist eigentlich von einem allmächtigen und allwissenden Gott zu halten, der es nicht fertigbringt, seine Botschaft so eindeutig zu formulieren, dass sie nicht ständig falsch interpretiert wird und zu unzähligen sich gegenseitig bekämpfenden Abspaltungen und Richtungen führt?”
Uwe Lehnert spricht mir mit seinem Buch
aus dem Herzen. Wenn ich das “Christentum” betrachte, dann will
auch ich kein Christ sein!
Somit könnten wir (Lehnert und ich)
Geistige Brüder sein. Könnten – wenn da nicht ein wichtiger Punkt zu
nennen wäre. Uwe Lehnert kämpft gegen Windmühlen! Und wie es
Windmühlen so in sich haben, sie drehen sich im Kreis und richten
sich, der Effizienz wegen, immer nach dem Wind.
Uwe Lehnert hat leider noch nicht
erkannt, dass die Christliche Religion mit dem Biblischen Evangelium
nichts gemein hat. Die beiden haben etwa dieselbe Gemeinsamkeiten wie
ein Butterbrot mit einer Drahtseilbahn. Man kann wohl auf letzteren
ein Butterbrot essen, aber um ein Butterbrot zu essen, bedarf es
nicht zwangsläufig einer Drahtseilbahn.
Die Christliche Religion hat mit dem
Biblischen Evangelium nichts zu tun. Das sind zwei völlig
verschiedene Dinge. Die Kirchen verwenden wohl hin und wieder die
Bibel selektiv, um ihre Religion, sei es die katholische oder
evangelische, zu stützen und ihre Lehrsätze und Traditionen zu
untermauern.
So ist es nur verständlich, dass es
das “Christentum”, die Kirchen, die Religion ist, die vor allem
bei suchenden Menschen grösstmöglichen Zweifel sät, sei es dem
Wort Gottes oder Gott Selbst gegenüber. Ich kann die Meinung
nachvollziehen, wenn Menschen, suchende Menschen, sich angewidert von
solchen “christlichen” Praktiken und einem solchen katholischen
oder evangelischen Gott oder Christus angeekelt abwenden.
Die Schlussfolgerung
Ob jedoch die Schlussfolgerung Lehnerts
“Der Weg vom christlichen Glauben zu einer
naturalistisch-humanistischen Weltanschauung“ der richtige ist,
muss in den Raum gestellt werden.
Hat man einmal – als suchender Mensch
– begriffen, dass die Kirchen mit ihrem scheinbaren Evangelium
nicht der wahre Weg sein kann, dann wäre doch zuerst die Frage zu
klären: habe ich das Licht, das Wort Gottes, die Bibel, aus der
nichtkirchlichen Sicht zu erkennen?
Ja, es gibt noch eine andere Sicht,
einen anderen Blickwinkel. Wenn uns klar wird, dass es nicht die
Kirchen sein können, die uns den Weg zeigen, dann dürfen wir nicht
das Kind mit dem Bade ausschütten.
Das Verständnis der Heiligen Schrift
wird einem erst dann eröffnet, wenn wir gewillt sind, all das zu
tun, nicht zu lesen, sondern zu tun, was die Schrift lehrt. Da
wäre zum Ersten einmal die völlige Umkehr. Die Umkehr vom sündigen
Weg. Und gerade, weil es bereits bei diesem ersten Punkt im
Allgemeinen mit der Umsetzung hapert und solches aus verständlichen
Gründen in der Kirche nicht gelehrt werden kann, gehen die Wege des
Biblischen Evangeliums und der kirchlichen Religion auseinander.
Aber alleweil ist dieser erste Schritt,
die konsequente und radikale Umkehr vom sündigen Weg
besser als die Zuflucht in einer
naturalistisch-humanistischen Weltanschauung zu suchen.
Letztere kann uns vuielleicht einige neue Erkenntnisse bringen, aber
gewonnen ist damit noch gar nichts. Weder für das Leben hier auf
Erden, noch für das Leben in der Ewigkeit.
Bedenken wir eines: Nur das tatkräftige
Anwenden der Bergpredigt kann den eigenen Geist wecken und wachsen
lassen. Und nur wessen Geist erweckt ist, kann ein geistiger Mensch
mit einer geistigen Gesinnung sein. Bei welchem dies nicht zutrifft,
ist logischerweise ein natürlicher Mensch mit natürlicher
Gesinnung, wie es die erwähnte Bezeichnung “naturalistisch-h.
Weltanschauung“ eben schon sagt. Und “ein natürlicher
Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes”, für ihn bleibt die
Heilige Schrift ein versiegeltes Buch!
Wem die Heilige Schrift ein
versiegeltes Buch bleibt, kann nicht verstehen, weshalb seinerzeit
die Amalekiter mitsamt Frauen, Kinder, Säuglingen, Rinder, Schafe,
Kamele und Esel ausgerottet werden mussten.
Er kann es auch nicht verstehen,
weshalb “die Bibel im Alten wie im Neuen Testament selbst
vorgibt, wie radikal und unnachsichtig mit Ungläubigen zu verfahren
sei” (Lehnert).
Ebenso unverständlich ist es für ihn,
dass die Worte Pauli im 1. Kor. 5. 5 etwas ganz anderes aussagen,
aber sicher nicht die Verbrennung Andersgläubigen auf dem
Scheiterhaufen, wie es Lehnert verstanden haben will.
Der Weg zu Christus im Herzen führt
niemals über eine wie auch immer geartete Kirche, nicht über Bücher
und nicht über Universitäten. Niemals! Der Weg zu Christus führt
nur über die Stille und Einkehr. Beherzigt man das, dann sind bald
alle Zweifel am Wort Gottes und Gott Selbst wie weggeblasen ...
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