Mittwoch, 18. Oktober 2017

"Darum will ich kein Christ sein"

Mit einem Buch, das bereits in fünfter Auflage erschienen ist, erklärt Uwe Lehnert, ehemals Ordinarius für Bildungsinformatik an der Freien Universität Berlin, warum er kein Christ sein will.

Ich habe einen längeren mir zugesandten Auszug des Beinahe-Bestsellers gelesen und mein Eindruck ist der, dass Lehnert hier in Sachen Recherche sehr gute Arbeit geleistet hat und die Folgerungen daraus nicht von der Hand zu weisen sind. Das Resultat der Lektüre ist für sehr viele Wahrgheitssuchende der Zweifel. Der Zweifel an Gott und der Zweifel an der christlichen Religion und der Botschaft des Christentums.
Diese Phase des Zweifels hat Lehnert selbst jedoch bereits abgeschlossen, denn er fühlt für die Kirchen und dem Christentum gegenüber nur noch Verachtung.

Aber nicht subjektive Eindrücke, sondern auf vielen, vielen Seiten gesammeltes Beweismaterial liess ihm keinen anderen Schritt zu, als dem Christentum den Rücken zu kehren. Liest man dieses sehr eindrücklich geschriebene Buch, so läuft es jedem Leser kalt den Rücken hinab. Was in den vergangenen zweitausend Jahren auf Seiten der Katholischen Kirche und seitr fünfhundert Jahren auf Seite der Evangelischen Kirche abgelaufen ist, lässt sich eher mit dem Koran als mit der Bibel ergründen.

Die gewaltkritischen Äußerungen im Neuen Testament hatten offenbar keine Auswirkungen auf das Handeln der Päpste und kirchlich gesteuerten Heerführer der Kreuzzüge.”

Lehnert stellt sieben Pranger auf, an welchen er die Kirchen stellt. Sowohl die römisch-katholische wie auch die evangelische. Der erste ist die Verpolitisierung des Christlichen Glaubens durch Theodosius in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts. Dieser Römische Kaiser, so Lehnert, hatte “aus rein machtpolitischen Gründen die christliche Lehre zur Staatsreligion erklärt und damit die damals bestehende Glaubensfreiheit aufgehobenund zitiert Rolf Bergmann: “Auch aus damaliger Sicht konnte man das Töten eines bloß Andersgläubigen nur als Mord bezeichnen, gleichgültig, ob im Namen eines römischen Kaisers oder im Namen des Christengottes begangen.

Der zweite Pranger stellen die Kreuzzüge dar. Dem Tod der Andersgläubigen dienten dann vor allem zwei alttestamentliche Bibelstellen, nämlich 1. Sam. 15. 3:
    Darum zieh jetzt in den Kampf und schlag Amalek! Weihe alles, was ihm gehört, dem Untergang! Schone es nicht, sondern töte Männer und Frauen, Kinder und Säuglinge, Rinder und Schafe, Kamele und Esel.
und Psalm 79. 5:
“Wie lange soll das noch währen, o Herr? Willst du ewiglich zürnen? Soll dein Eifer wie Feuer brennen? Gieße deinen Grimm über die Heiden aus, die dich nicht kennen, und über die Königreiche, die deinen Namen nicht anrufen ”
(Auf die beiden Verse werde ich weiter unten noch zurückkommen)

Lehnert fragt mit Recht: Wie ist eigentlich dieses erschütternde Fehlen an Menschlichkeit und Mitgefühl zu erklären? Die christliche Botschaft mit ihrem Liebesgebot, ihrer Aufforderung zum Gewaltverzicht und zur Feindesliebe war diesen Kreuzrittern ja nicht nur bekannt, sondern sollte und wollte doch gerade von ihnen verteidigt und verbreitet werden!

Und gibt folgende Antwort: Die Erklärung dürfte ganz einfach sein: Der Andersgläubige wurde nicht als Mitglied der menschlichen Gemeinschaft angesehen, er war vielmehr Werkzeug des Teufels und als solches zu vernichten; er war schlicht kein Mensch, er war ein Un-Mensch! … Insofern haben sich die Kreuzritter nur als im göttlichen Auftrag tätige Vollstrecker längst gefällter Urteile gesehen. Für sie war wichtig, um des eigenen Seelenheils willen das Wohlwollen Gottes zu erlangen. Hinzu kommt, dass die Bibel im Alten wie im Neuen Testament selbst vorgibt, wie radikal und unnachsichtig mit Ungläubigen zu verfahren sei.

Der dritte Pranger ist die wiederum völlig berechtigte Kritik der Inquisition und gibt hier über einige Buchseiten hinweg sehr viele der grauslichsten Folterungen wider und kommt zum Schluss, dass die “Inquisition eine der grausigsten Terrormaschinen, die die Erde je gesehen hat”. Womit er wohl nicht übertrieben hat.

Die Kirche, einschließlich der in dieser Hinsicht ebenso hasserfüllten Reformer Luther und Calvin, begründete ihr Vorgehen mit der Notwendigkeit, den rechten Glauben gegen Ketzerei, Zauberei und Aberglauben verteidigen zu müssen,“ so Lehnert weiter und sieht für den Grund der Handlungsweise dieser “Männer Gottes” die Anweisung aus dem Neuen Testament dürch Paulus:

Denn ich, der ich zwar dem Leibe nach abwesend, dem Geiste nach aber anwesend bin, habe schon, als wäre ich anwesend, über den, welcher solches begangen hat, beschlossen: im Namen unsres Herrn Jesus Christus und nachdem euer und mein Geist sich mit der Kraft unsres Herrn Jesus Christus vereinigt hat, den Betreffenden dem Satan zu übergeben zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am Tage des Herrn Jesus.” (1. Kor. 5. 5)

Lehnert folgert: “Was für ein grauenhafter und erbärmlicher Gott, in dessen Namen so etwas geschieht und der so etwas in seinem Namen geschehen lässt!

Pranger Nummer vier handelt von der Judenverfolgung und dem Antisemitismus, der ja mehr oder weniger versteckt bis heute zu Tage tritt (die “Judensau” nicht nur an der Kirche zu Witttenberg).

Dass Luther der Mentor des alten Adolf sei, ist ja ein offenes Geheimnis.

Fünftens nennt Lehnert die recht unbiblische Gepflogenheit der Sklaverei unter die Lupe und schreibt “Päpste, Bischöfe und Klöster verfügten im Mittelalter über Tausende von Sklaven, die deren riesige Güter bearbeiten mussten. Zu Sklaven wurden beispielsweise Kriegsgefangene, Bauern, die ihre Steuern nicht aufbringen konnten, Kinder von Priestern.

Im Punkt sechs prangert Lehnert – auch hier nicht zu Unrecht – den immensen Reichtum der Kirchen an und vor allem auch, wie sie zu diesem Reichtum kamen. Im Mittelalter war es die Enteignung, die neben der Inquisition einherging.

Und im siebten Punkt beschreibt Uwe Lehnert den Kindsmissbrauch der Prister und ihren Vorgesetzten, der zu allen Zeiten, bis heute ungebrochen, nicht ein Zeugnis des Biblischen Evangeliums sein kann.

Gläubige wie Aheisten müssen bei der Lektüre dieses Buches zum Schluss kommen, dass die Folgerung Lehnerts nur richtig sein kann:

Selbst eine nur flüchtige Betrachtung der Kirchengeschichte zeigt, dass die Bilanz nur als katastrophal bezeichnet werden kann. Gibt es auf dieser Erde eine Religion, die anderen Menschen so viel Leid, Verzweiflung und Schmerzen gebracht hat? Gibt es auf dieser Erde eine Religion, die ihr eigenes Anliegen so sehr verraten hat? Gibt es auf dieser Erde eine religiöse nstitution, die nach einer solchen desaströsen Bilanz es immer noch wagen würde, weltweit als Verkünderin und Hüterin göttlicher Moral aufzutreten?

und
Was ist eigentlich von einem allmächtigen und allwissenden Gott zu halten, der es nicht fertigbringt, seine Botschaft so eindeutig zu formulieren, dass sie nicht ständig falsch interpretiert wird und zu unzähligen sich gegenseitig bekämpfenden Abspaltungen und Richtungen führt?
Uwe Lehnert spricht mir mit seinem Buch aus dem Herzen. Wenn ich das “Christentum” betrachte, dann will auch ich kein Christ sein!

Somit könnten wir (Lehnert und ich) Geistige Brüder sein. Könnten – wenn da nicht ein wichtiger Punkt zu nennen wäre. Uwe Lehnert kämpft gegen Windmühlen! Und wie es Windmühlen so in sich haben, sie drehen sich im Kreis und richten sich, der Effizienz wegen, immer nach dem Wind.

Uwe Lehnert hat leider noch nicht erkannt, dass die Christliche Religion mit dem Biblischen Evangelium nichts gemein hat. Die beiden haben etwa dieselbe Gemeinsamkeiten wie ein Butterbrot mit einer Drahtseilbahn. Man kann wohl auf letzteren ein Butterbrot essen, aber um ein Butterbrot zu essen, bedarf es nicht zwangsläufig einer Drahtseilbahn.

Die Christliche Religion hat mit dem Biblischen Evangelium nichts zu tun. Das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Die Kirchen verwenden wohl hin und wieder die Bibel selektiv, um ihre Religion, sei es die katholische oder evangelische, zu stützen und ihre Lehrsätze und Traditionen zu untermauern.

So ist es nur verständlich, dass es das “Christentum”, die Kirchen, die Religion ist, die vor allem bei suchenden Menschen grösstmöglichen Zweifel sät, sei es dem Wort Gottes oder Gott Selbst gegenüber. Ich kann die Meinung nachvollziehen, wenn Menschen, suchende Menschen, sich angewidert von solchen “christlichen” Praktiken und einem solchen katholischen oder evangelischen Gott oder Christus angeekelt abwenden.

Die Schlussfolgerung


Ob jedoch die Schlussfolgerung Lehnerts “Der Weg vom christlichen Glauben zu einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung“ der richtige ist, muss in den Raum gestellt werden.
Hat man einmal – als suchender Mensch – begriffen, dass die Kirchen mit ihrem scheinbaren Evangelium nicht der wahre Weg sein kann, dann wäre doch zuerst die Frage zu klären: habe ich das Licht, das Wort Gottes, die Bibel, aus der nichtkirchlichen Sicht zu erkennen?

Ja, es gibt noch eine andere Sicht, einen anderen Blickwinkel. Wenn uns klar wird, dass es nicht die Kirchen sein können, die uns den Weg zeigen, dann dürfen wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.

Das Verständnis der Heiligen Schrift wird einem erst dann eröffnet, wenn wir gewillt sind, all das zu tun, nicht zu lesen, sondern zu tun, was die Schrift lehrt. Da wäre zum Ersten einmal die völlige Umkehr. Die Umkehr vom sündigen Weg. Und gerade, weil es bereits bei diesem ersten Punkt im Allgemeinen mit der Umsetzung hapert und solches aus verständlichen Gründen in der Kirche nicht gelehrt werden kann, gehen die Wege des Biblischen Evangeliums und der kirchlichen Religion auseinander.

Aber alleweil ist dieser erste Schritt, die konsequente und radikale Umkehr vom sündigen Weg
besser als die Zuflucht in einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung zu suchen. Letztere kann uns vuielleicht einige neue Erkenntnisse bringen, aber gewonnen ist damit noch gar nichts. Weder für das Leben hier auf Erden, noch für das Leben in der Ewigkeit.

Bedenken wir eines: Nur das tatkräftige Anwenden der Bergpredigt kann den eigenen Geist wecken und wachsen lassen. Und nur wessen Geist erweckt ist, kann ein geistiger Mensch mit einer geistigen Gesinnung sein. Bei welchem dies nicht zutrifft, ist logischerweise ein natürlicher Mensch mit natürlicher Gesinnung, wie es die erwähnte Bezeichnung “naturalistisch-h. Weltanschauung“ eben schon sagt. Und “ein natürlicher Mensch vernimmt nichts vom Geiste Gottes”, für ihn bleibt die Heilige Schrift ein versiegeltes Buch!

Wem die Heilige Schrift ein versiegeltes Buch bleibt, kann nicht verstehen, weshalb seinerzeit die Amalekiter mitsamt Frauen, Kinder, Säuglingen, Rinder, Schafe, Kamele und Esel ausgerottet werden mussten.

Er kann es auch nicht verstehen, weshalb “die Bibel im Alten wie im Neuen Testament selbst vorgibt, wie radikal und unnachsichtig mit Ungläubigen zu verfahren sei” (Lehnert).

Ebenso unverständlich ist es für ihn, dass die Worte Pauli im 1. Kor. 5. 5 etwas ganz anderes aussagen, aber sicher nicht die Verbrennung Andersgläubigen auf dem Scheiterhaufen, wie es Lehnert verstanden haben will.

Der Weg zu Christus im Herzen führt niemals über eine wie auch immer geartete Kirche, nicht über Bücher und nicht über Universitäten. Niemals! Der Weg zu Christus führt nur über die Stille und Einkehr. Beherzigt man das, dann sind bald alle Zweifel am Wort Gottes und Gott Selbst wie weggeblasen ...



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