Mittwoch, 30. September 2015

Judas Ischariot - die tragische Figur I



In unserem Forum zum Blog hat eben ein lieber Bruder ein ganz aktuelles und wichtiges Thema angeschnitten, das es verdient, in der Tiefe anzugehen und zu sehen, was es mit diesem „Judas, dem Verräter“ auf sich hat

Kürzlich habe ich eine Predigt gehört, die das Dienen zum Inhalt hatte. Am Beipiel von Maria, die Schwester Marthas, die Jesus umsorgte bzw. diente, als sie kostbares Nardenöl über ihn goss und mit ihren Haaren seine Füsse trocknete.
Jetzt kommt Judas Ischariot ins "Spiel", welcher dies als verschwenderisch bezeichnete. Der Prediger führte dann aus, dass Judas bereits seit seiner Geburt verflucht und dem Teufel verfallen war.
Nun gab Gott ja allen
Menschen einen freien Willen. Ob aber ein neugeborenes Kind schon über einen solchen verfügt, wage ich zu bezweifeln.
Hatte Judas überhaupt eine Chance, nicht als die unrühmlichste Figur des NT gelten zu müssen?


Es gibt so Stellen in der Bibel, die mir schwer aufliegen, wenn dann steht
'damit die Schrift in Erfüllung geht'. Im Heilsplan Gottes stand ja fest, dass sein Sohn für uns am Kreuze sterben würde? Was, wenn Judas ihn nicht verraten hätte? Ja, mir ist bekannt, dass Gott alles schon seit Ewigkeiten weiss, also auch die Schreckenstat des Judas Ischariot. Gott hätte es es verhindern können - ja ja, der Mensch hat seinen freien Willen. Aber ab welchem Zeitpunkt hat er diesen? Um auf die Predigtworte zurück zu kommen, schon bevor er geboren wurde. Judas Geistseele war also schon seit Äonen von Jahren mit dem "Satan" infisziert oder was? ...“ (aus unserem  Forum zum Blog)

Ich gehe mal davon aus, dass dieser Prediger einer evangelischen Kirche dient und es scheint, dass dies einer der wenigen Prediger ist, welcher schon einen besseren Durchblick auf die Geistigen Zusammenhänge hat. Normalerweise dient dieses Thema den Evangelikalen als „Beweis“ der lutherischen Prädestinations-Lehre. Unser sächsischer Freund hat ja bekantlich behauptet, der Mensch besässe keinen freien Willen und dass die Menschen schon vorbestimmt entweder für die Hölle oder für den Himmel geboren sind.

Gut. Nun wollen wir dieses Thema, beziehungsweise den obigen Beitrag in der ganzen Tiefe und im Licht des Geistes Jesu angehen und Punkt für Punkt die Geistigen Zusammenhänge erläutern um schlussendlich zu sehen, wie aktuell diese Fragen in der heutigen Zeit noch sind. Dann wollen wir auch an Beispielen erkennen, wie solche Judasse heute noch Verrat üben – ohne es zu wissen oder zu wollen.

Weshalb hat Judas Jesus verraten?

Bevor wir den Ischariot sowie all die vielen modernen Judasse verurteilen, müssen wir uns die Frage nach dem „Tatmotiv“ stellen. Welches Motiv hatte Judas? War es Böswilligkeit? Wollte er Jesus „eines auswischen“? War es wegen den 30 Silberlingen? Oder gab es noch andere Gründe?
Boswilligkeit wäre durchaus möglich, denn alle Menschen sind von Natur aus böse. Immerhin war Judas drei und einhalb Jahre mit Jesus durchs Land gezogen, die Gesellschaft hatte etliche feindliche Angriffe und damit durchaus genug Gelegenheiten gehabt, Jesus zu schaden. Also dieses Argument gibt keinen Sinn, weil auch ein stichiges Motiv fehlen würde.

Um Jesus „eines auszuwischen“ würde schon eher in Betracht fallen, weil Jesus doch etliche Male Judas vor seinen Mit-Jünger ausgescholten hat und ihn sogar einen Teufel genannt. Dagegen spricht, dass Judas genau wusste, dass Jesus hellsehend war, dass Er schon bei der Vorbereitung der Tat Gegenmassnahmen ergreifen konnte. Gut genug kannte Judas seinen Meister, denn mehrmals war Er mit Seiner gesamten Gesellschaft Gefahren ausgewichen, weil Seine Zeit noch nicht gekommen war. Nein, in dieser Hinsicht war Judas kein Illusionist. Somit ist  auch dieses mögliche Tatmotiv nicht oportun.

War es aber die 30 Silberlingen, welche ihn reizten? Auch das wäre grundsätzlich möglich, denn es war ja ein offenes Geheimnis, dass er geizig war und jedem Stater hinterherrannte. Dieses Argument ist bei den Evangelikalen der wahre Grund seines Verrats, schon deshalb, weil die Bibel keinen anderen Grund so offensichtlich erkennen lässt.  Sie sagen, Judas war ja „ein Dieb und nahm alles Geld an sich“ (Joh 12. 4)

Ganz klar gegen dieses Geld- und Dieb-Motiv spricht, dass Judas keinen Grund gehabt hat, wegen 30 Silberlingen Jesus zu verraten, denn in der ganzen Zeit zusammen mit Jesus hat er doch weit mehr gescheffelt. Judas war ein Oekonom, wusste genau wie man zu Geld kommt und deshalb war es ihm klar, dass ein lebender Jesus mehr Wert war als ein toter! Wäre es ein finanzieller Grund gewesen, dann hätte Judas Jesus nicht verraten, sondern mit allen seinen Kräften beschützt!

Also muss es noch einen anderen Grund gegeben haben. Ein ideologisches, ein politisches  Motiv. Dieses Motiv wird aber von den Evangelikalen aufs Heftigste bekämpft, und in den Bereich des Gnostischen und der Mystik gestellt. Alles was nach Gnostik und  Mystik riecht, ist für sie ein rotes Tuch. (Und genau, weil es die Evangelikalen verwerfen, dürfte dies ein Hinweis sein, dass es der Wahrheit entspricht.)

Rudolf Augstein nahm in seinem Buch „Jesus Menschensohn“  an, dass Judas wie auch die anderen Jünger (Lk 24,13) erwartete, dass Jesus Israel als politischer Messias in den Befreiungskampf gegen die Römer führen würde. Er habe Jesus durch seinen Verrat zwingen wollen, sich als Messias zu offenbaren, weil er geglaubt habe, Jesus habe von JHWH die Macht, die Juden von den Römern zu befreien. 

Dies ist das einzige Motiv, das Sinn macht. Er glaubte, indem er nun Jesus zwingen würde, Seine gesamte  innewohnende Kraft auf einen Schlag zu entfalten und das politische Königreich aufzurichten.

Wenn nun Jesus sogar „zum Kampf bläst“

Ich bin kommen, daß ich ein Feuer anzünde auf Erden; was wollt' ich lieber, denn es brennete schon!  Aber ich muß mich zuvor taufen lassen mit einer Taufe; und wie ist mir so bange, bis sie vollendet werde!   Meinet ihr, daß ich herkommen bin, Frieden zu bringen auf Erden? Ich sage nein, sondern Zwietracht.  Denn von nun an werden fünf in einem Hause uneins sein: drei wider zwei und zwei wider drei.  Es wird sein der Vater wider den Sohn und der Sohn wider den Vater, die Mutter wider die Tochter und die Tochter wider die Mutter, die Schwieger wider die Schnur und die Schnur wider die Schwieger.“  (Luk.  12. 49 ff)

was den Jüngern ja noch in lebhafter Erinnerung war und das alles nun nach dem Palmsonntag geschah, als “der König in Jerusalem einzog”, war es nachvollziehbar, dass Judas seine grosse Stunde als gekommen sah. Es dürfte also offensichtlich sein, dass Judas in gutmeinender Absicht seinen Verrat ausgeübt hat. Dass er diesen Umstand noch versilbert hat, ist eher ein Nebeneffekt, genau so wie heute ja alles auch versilbert wird.

Judas falsches Verständnis

Doch die grosse und entscheidende Frage wird wohl sein, weshalb glaubte Judas, dass der Messias ein politischer Messias sein wird? Er war doch mehr als drei Jahre mit Jesus zusammen, hatte dieselben Informationen wie die anderen Jünger auch. Und genau hier sehen wir ein grosses menschliches Problem, ein richtiges Phänomen.

Wenn zwei dasselbe hören, hören sie nicht dasselbe

Man könnte auch sagen, wenn „zwei dasselbe hören, dann verstehen sie nicht dasselbe“. Genau das selbe Phänomen finden wir auch unter den Bibellesern. Welch ein Kampf! Welch verschiedene Theorien! Welche Meinungsverschiedenheiten! Ebenso ist es mit der evangelischen Sekundärliteratur und noch eindrücklicher ist das Phänomen beim leichtverständlichen und detaillierten Lorberwerk. Wenn zwei dasselbe lesen, so versteht fast jeder etwas anderes. Die einen lesen die Buchstaben, die andern beachten die Buchstaben nicht und lesen zwischen den Zeilen. Die Folgen sind Unverständnis und Meinungsverschiedenheit am laufenden Band.

Aber lassen wir das Lorberwerk mal getrost auf der Seite und sehen wir, was in den evangelischen Kirchen so alles abläuft! Ich werde dann in einem weiteren Teil dieses Aufsatzes noch weiter darauf eingehen und anhand eines ganz offensichtlichen Beispiels erläutern, wie auch heute noch durch das Unverständnis dieser selbe Verrat an Jesus und am Evangelium geschieht. Nicht böswillig, nicht aus Neid oder Geiz, sondern ganz in der Meinung, Gott damit zu dienen.

 War Judas schon bei seiner Geburt verflucht?

Verflucht? Was heisst: Verflucht? Es gibt verschiedene Arten von Verflucht-Sein.

Noah hat zum Beispiel seinen Sohn Ham verflucht. Die Geschichte kennt jeder, brauche sie hier nicht zu wiederholen. Dieser Fluch war für Ham und seine Nachkommen eine sehr tragische Angelegenheit und die Auswirkungen sind heute noch offenbar.

Dann gibt es den Fluch der Generationen. Wenn ein Vater schwer sündigt, dann sind die direkten Auswirkungen bis ins dritte oder vierte Glied spürbar. Auch das sind nicht alte Geschichten. Selbstmorde zum Beispiel haben auch in dieser Hinsicht Konsequenzen, indem die nachkommenden Generation in den allermeisten Fällen sehr schwer belastet sind.

Dann gibt es den Fluch, unter dem Gesetz sein zu müssen. Das war für den ganzen Erdkreis bis zum Kreuzestod Jesu der Fall. Der Fluch des Gesetzes war der Fluch der Sünde, von dem wir aber jetzt frei sind – sofern wir diese Freiheit mit allen Konsequenzen angenommen haben.

Ja, und dann soll es noch einen Fluch geben, und das ist der, für die Hölle geboren zu sein. Ich habe das zwar noch nie in der Bibel oder anderswo gelesen, aber unser Freund aus Sachsen hat das so gelehrt. Anscheinend ist da eben auch Judas Ischariot, welcher dieses schlechte Los gezogen hat.

Der katholische "Heilige" und Kirchenvater Augustin gilt als der eigentliche Erfinder der Prädestinationslehre. Er war auch der Lehrmeister für den Augustinermönch Martin Luther. Augustin hat eine unverhohlen "doppelte" Prädestinationslehre vertreten. Dabei ging er sogar davon aus, dass wenige von Gott dazu vorherbestimmte Menschen bereits vor der Erschaffung der Welt (!) zum ewigen Heil berufen wurden und der große Rest zur ewigen Verdammnis. Gott wäre also ein solches grässliches Monster gewesen, dass er eine Schöpfung ins Leben gerufen hätte, wo von vorne herein klar gewesen wäre, dass dies überwiegend in entsetzlichem und für alle Ewigkeiten unaufhörlichen Leiden für die meisten Menschen enden würde.
In dem theologischen Lexikon Theologische Realenzyklopädie, Band 27
(Herausgeber Robert Balz, Gerhard Krause, Gerhard Müller, Berlin. New York 1997) steht über Augustins Prädestinationslehre folgendes geschrieben:
Augustin fand "zu der Auffassung, dass schon der Beginn des Glaubens Gottes Gabe sei und dass diese Gabe frei sein müsse, da durch Verdienst Erworbenes keine Gnade sei
(De praedestinatio sanctorum 3, 2; 6, 2). In einem Gnadenakt hat Gott entschieden, dass bestimmte Menschen erlöst werden sollen (ebd. 11, 6). Diese Gnadenwahl ist Prädestination. Gnade ist Gabe, auf die die Prädestination vorbereitet (ebd. 19, 10) ... Die Gnadenwahl hat ihren Ort in der Vorsehung Gottes (ebd. 32, 16). Er trifft seine Vorherbestimmung zum Heil, nicht aber zur Verdammnis, denn das würde ihn zum Urheber des Bösen machen. Niemand kann wissen, ob er prädestiniert ist, und darum kann auch niemand seines Heils gewiss sein. Im Gegeneinander ... stehen die zur himmlischen Herrlichkeit Vorherbestimmten denjenigen gegenüber, die nicht in dieser Weise prädestiniert und damit Bürger der Hölle sind." (De civitate Dei, X.) 

Durch solche Philosophien beeinflusst, hat dann der Erfinder des Luther-Evangeliums unter manchem Anderen folgendes zum Besten gegeben:

"Auf diese Weise ist der menschliche Wille mitten zwischen beide gestellt, ganz wie ein Reittier, wenn Gott darauf sitzt, will er und geht, wohin Gott will … Wenn der Satan darauf sitzt, will er und geht, wohin der Satan will. Und er hat nicht die Entscheidungsfreiheit, zu einem der Reiter zu laufen oder ihn zu suchen, sondern die Reiter selbst streiten darum, ihn festzuhalten und zu besitzen." (Martin Luther, De servo arbitrio, Weimarer Ausgabe 18, S. 634f.) (Diese beiden Zitate entnommen aus: Der Theologe, Nr. 49, „Prädestinationslehre: Nie wurde ein grausamerer Gott erfunden als hier“)

Nach der Evangelischen Lehre wäre das also so, dass alle, welche nicht glauben, das sind die Katholiken, die Pfingstler, die Hindus, und alle anderen, welche eben nicht evangelisch sind, In die Hölle kommen – und das auf ewig! – weil sie für diese Hölle ausersehen und geboren sind! Einzig die Lutherisch-Evangelikalen sind prädestiniert für den Himmel und, wer Glück hat wie unsere Generation, sogar für die Entrückung. Ja, ja, das ist schon  ein gewaltiges Vorrecht!

Nach eben dieser Lutherischen Irrlehe wäre auch Judas Ischariot schon vor der Geburt für diese Tat auserkoren gewesen und hätte somit keine Chance gehabt, ein auch nur ansatzweise  anständiger Mensch zu werden. Merkt denn von den Abermillionen evangelischen Gläubigen nicht ein einziger, welche Absurdität, welch ein absoluter Stuss dieser Luther in die Welt gesetzt hat? Oder könnte es am Ende noch zutreffen, dass mindestens in der evangelischen Kirchen der freie Wille abhanden gekommen ist, dass solche Unsinnigkeiten widerspruchslos hingenommen werden?

Es gibt in der Bibel ein Beispiel, wo Gott jemanden dazu vorherbestimmt hatte, an dem Er (Gott) Seine Grösse und Seinen Zorn offenbaren wollte. „Ich aber will sein Herz verstocken,” sprach Gott zu Mose und beabsichtigte damit, dem Pharao seinen freien Willen zu nehmen. Aber Pharao war kein Mensch, stand nicht als Geschöpf in der Blutlinie Adams, sondern war ein Nephilim, wie alle Pharaonen. Die Nephilims waren natürlich samt und sonders für die Hölle bestimmt.

Judas Ischariot aber war kein Nephilim, sondern ein Mensch mit einem eigenen freien Willen.  Was es sich mit dem freien Willen auf sich hält, sehen wir dann am nächsten Mitwoch.


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