.. oder wirst Du überwunden?
Es folgt nun der dritte Teil des Gastbeitrages von Hans Hauser.
Die Lösung
Nachdem nun das eigentliche Problem herausgestellt
ist, muss die Frage nach einer zufriedenstellenden Lösung geklärt werden.
Von Anfang an muss betont werden, dass es keinen Sinn
hat, wenn man die fleischliche Gesinnung zwingen will, sich dem Gesetz Gottes
zu unterwerfen. Wer das versucht, versucht Unmögliches. Wir brauchen uns nur
daran zu erinnern, was Jesus in dem Gleichnis vom Dornbusch gesagt hat, um zu
wissen, dass es auch mit noch so harten Zwangsmaßnahmen niemals gelingen wird,
aus einem bösen Herzen gute Früchte hervorzubringen. Man stelle sich den
Dornbusch vor: Er steht von Natur aus in Feindschaft zu dem Gesetz, auf dessen
Grundlage Äpfel erzeugt werden. Wer einen Dornbusch im Garten hat, weiß, dass
man sich bei der Bodenbearbeitung, Bewässerung, Düngung, beim Beschneiden und
Pflegen der Pflanze noch so viel Mühe geben kann, man wird doch keinen einzigen
Apfel von diesem Busch ernten. Jeder Gärtner weiß, dass das nicht geht.
Wer Sieg über Sünde sucht, sollte genauso sicher
wissen, dass die fleischliche Gesinnung nicht dazu gebracht werden kann, die
Früchte des Geistes zu tragen; Anstrengungen in noch so
großem Ausmaß, intensives Bibel Studium, Gottesdienstbesuche, missionarische
Aktivitäten, ernste Gebete, großzügige Spenden — alles ist unnütz, wenn es
darum geht, dieses Ergebnis zu bewirken.
Dieser Weg führt nicht zum Ziel, denn »die
Gesinnung des Fleisches ... ist dem Gesetz Gottes nicht Untertan, denn sie
vermag es auch nicht«. Diese Aussage ist genau-so wahr wie die Tatsache,
dass ein Dornbusch keine Äpfel tragen kann; er ist dem Gesetz, das zur
Apfelerzeugung dient, nicht Untertan, denn er vermag es auch nicht.
Jeder Mensch, der mit der Gesinnung des Fleisches
versucht, das Gesetz Gottes zu halten, und die aktiven Früchte des Geistes
hervorzubringen, versucht also Un-mögliches. Erst wenn das Problem der
fleischlichen Gesinnung gelöst ist, das heißt, dass ihre Macht gebrochen sein
muss, kann der Mensch beginnen, das Gesetz Gottes zu halten.
Die Axt muss dem Baum an die Wurzel gelegt werden, eine andere Möglichkeit gibt es
nicht. Viele religiöse Menschen heute meinen, dieses Problem könne durch die
Aufhebung des Gesetzes gelöst werden. Doch es bedarf nur einer kurzen
Überlegung, um zu wissen, dass sie sich hierin irren. Zur Veranschaulichung
stelle man sich einen unwissenden Menschen vor, der glaubte, er könne mit der
unerträglichen Hitze des Tages fertig werden, indem er das Thermometer
zerschlug. Doch als er das getan hatte, änderte sich weder etwas an der Hitze,
noch wurde das Problem leichter. Das Problem der unverminderten, unerträglichen
Hitze war immer noch da. Der Mann hatte lediglich das Instrument verloren, an
dem er genau messen konnte, wie heiß es tatsächlich war.
Genauso ist es mit dem Gesetz. Wenn es aufgehoben wird, ändert sich
nichts an der Sünde. Sie ist nach wie vor da. Der einzige Unterschied besteht
darin, dass der Mensch nun keinen Maßstab mehr hat, an dem er genau feststellen
kann, was Sünde ist.
Diese Tatsache wird uns an dem Gleichnis der Ehe im ersten Teil von
Römer 7 sehr deutlich veranschaulicht. Dieses Gleichnis zeigt ganz klar, dass
keine Notwendigkeit für die Veränderung des Gesetzes besteht. Das Gesetz ist
vollkommen und bedarf keiner Veränderung. Die Veränderung muss im Menschen
stattfinden, denn da liegt das Problem.
»Wisst ihr nicht, liebe Brüder — denn ich rede mit
denen, die das Gesetz kennen —, dass das Gesetz nur herrscht über den Menschen,
solange er lebt? Denn eine Frau ist an ihren Mann gebunden durch das Gesetz,
solange der Mann lebt; wenn aber der Mann stirbt, so ist sie frei von dem
Gesetz, das sie an den Mann bindet. Wenn sie nun bei einem ändern Mann ist,
solange ihr Mann lebt, wird sie eine Ehebrecherin genannt; wenn aber ihr Mann
stirbt, ist sie frei vom Gesetz, so dass sie nicht eine Ehebrecherin ist, wenn
sie einen ändern Mann nimmt.« Römer 7,1-3.
Die hier beschriebene Situation ist allen bekannt,
denn alle verstehen das Ehegesetz. Solange die Frau gesetzlich mit einem Mann
verheiratet ist, wird jeder Versuch, mit einem anderen Mann ein Eheverhältnis
einzugehen, vom Gesetz als Ehebruch verurteilt. Stirbt aber ihr Mann, so wird
die Eheschließung mit einem anderen Mann, die zuvor als Ehebruch verdammt
wurde, nun von demselben Gesetz gerechtfertigt. Eine Verän-derung hat
stattgefunden, doch nicht im Gesetz. Das Leben der Frau hat sich geändert. Sie
ist jetzt nicht mehr verheiratet, sondern steht wieder allein.
Genauso verhält es sich im geistlichen Bereich. Tatsächlich
geht es Paulus hier gar nicht um eine Erläuterung der Ehefrage, sondern er benutzt
vielmehr die Ehe Gesetze als eine Veranschaulichung für die geistliche Ehe des
Menschen mit Christus. »Also seid auch ihr, meine Brüder, dem Gesetz
getötet durch den Leib Christi, sodass ihr einem Andern angehört, nämlich dem,
der von den Toten auferweckt ist, damit wir Gott Frucht bringen.« Römer 7,4.
Während dieser Vers deutlich von einer Veränderung
spricht, die stattfinden muss, weist er nicht im geringsten auf eine
Veränderung des Gesetzes hin. Die Veränderung muss im Menschen vor sich gehen.
Der Mensch muss sterben, um einem anderen Ehepartner angehören zu können,
nämlich Christus, der von den Toten auferweckt ist.
Der ganze Zweck des Werkes Jesu Christi besteht darin,
Menschen von Sünde zu erretten, wie auch über ihn geschrieben steht: »Dem
sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren
Sünden. « Matthäus 1,21.
Von Sünde errettet zu werden bedeutet, von
Gesetzesübertretung errettet zu werden, denn »die
Sünde ist Gesetzesübertretung«. 1.Johannes 3,4 (Schlachter-Übersetzung). Gesetzesübertretung
ist Ungehorsam. Von Gesetzesübertretung errettet zu werden bedeutet deshalb,
zum Gehorsam befreit zu werden.
Wir sehen also deutlich, dass die Lösung des Sünden
Problems weder in unserer eigenen Willens Anstrengung liegt, ganz gleich, wie
groß sie ist, noch in der Aufhebung des Gesetzes.
Nachdem das klar ist, wenden wir uns der eigentlichen Lösung zu. Sie
besteht darin, dass die alte Natur ausgerottet und durch eine völlig neue
ersetzt wird. Keine Wahrheit wird in der Heiligen Schrift deutlicher gelehrt
als diese. Man beachte, wie eindeutig der folgende Vers diesen Gedanken zum
Ausdruck bringt!
»Und ich will ihnen ein anderes Herz geben und einen
neuen Geist in sie geben und will das steinerne Herz wegnehmen aus ihrem Leibe
und ihnen ein fleischernes Herz geben, damit sie in meinen Geboten wandeln und
meine Ordnungen halten und danach tun. Und sie sol-len mein Volk sein, und ich
will ihr Gott sein. « Hesekiel 11,19.20.
In unmissverständlicher Sprache erklärt der Herr, dass
er das alte, sündige, steinerne Herz aus ihrem Leib wegnehmen und ihnen
stattdessen ein neues Herz geben will. Er sagt nicht, dass er ein neues Herz zu
dem alten dazugeben will. Das ist nicht die Botschaft dieses Verses. Vielmehr
wird darin gesagt, dass das alte Herz aus dem Leib weggenommen wird und ein neuer
Geist und ein neues Herz die Stelle des alten einnehmen werden.
All das hat seinen Zweck. Es geschieht, um ganz
bestimmte Ergebnisse zu erzielen, nämlich »damit sie in meinen Geboten wandeln
und meine Ordnungen halten und danach tun. Und sie sollen mein Volk sein, und
ich will ihr Gott sein.
Als wir Römer l betrachteten, sahen wir deutlich,
warum ein Mensch, der zum Dienst für Gott bereit ist, doch nicht tun kann, was
er tun will: Der Grund liegt darin, dass die fleischliche Gesinnung immer noch
in ihm wohnt und wie ein Sklavenherr über ihn herrscht. Wir haben betont, dass
das eigentliche Problem des Menschen in der Existenz dieser Macht liegt. Wie
wir jetzt sehen, kennt der Herr das Problem, und er weiß, dass die einzige
Lösung darin besteht, den Übeltäter zu entfernen und an seine Stelle ein ganz
neues Herz zu setzen.
Dieselbe Antwort gibt uns Christus in seinem Gleichnis
vom Dornbusch. Dieser Busch ist ein kräftiges, grünes Gewächs, das mitten im
Garten steht, aber keine nützliche Frucht hervorbringt. Er steht nur im Weg,
nimmt guten Boden weg, und wer ihn im Vorbeigehen streift, zerreißt sich seine
Kleider. Der Gärtner hat also ein Problem. Er möchte gute Früchte wie zum
Beispiel Äpfel oder Orangen ernten, aber er hat einen Dornbusch in seinem
Garten. Er weiß, dass es nur eine Lösung gibt: Er muss den Dornbusch aus der
Erde reißen und ihn durch einen guten Baum ersetzen. Dann wird er zur rechten
Zeit auch gute Früchte ernten, und zwar ganz einfach deshalb, weil er jetzt
einen guten Baum hat.
Ebenso möchte der Mensch in Römer 7 gerne die guten
Werke des Gesetzes hervorbringen, und zwar in Form von den Früchten des
Geistes: Liebe, Freude, Friede usw. Aber er hat eine böse Natur in sich, die
solch einen Gehorsam aus Liebe nicht leisten kann, sondern vielmehr eine Quelle
von Hass, Stolz, Eifersucht und dergleichen mehr ist. Dieser
Mensch befindet sich in der gleichen misslichen Lage wie der Gärtner mit seinem
Dornbusch, und die Lösung ist in beiden Fällen gleich. Die böse Natur muss
aus dem menschlichen Körper, der aus Erde gemacht ist, herausgenommen und durch
eine neue Natur, die von oben kommt, ersetzt werden. Nur so kann man ein Kind
Gottes werden, und nur so kann man die guten Früchte des Geistes hervorbringen.
Diese Wahrheit wird in der Bibel immer wieder
dargelegt, so dass jeder den Weg der Befreiung von dieser schrecklichen
Sündenmacht kennenlernen kann; die Vielfalt der Zeugnisse ist dazu bestimmt,
allen Zweifel auszuräumen. »Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig macht
in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des
Todes. Denn was dem Gesetz unmöglich war, weil es durch das Fleisch geschwächt
war, das tat Gott: er sandte seinen Sohn in der Gestalt des südlichen Fleisches
und um der Sünde willen und verdammte die Sünde im Fleisch, damit die
Gerechtigkeit, vom Gesetz gefordert, in uns erfüllt würde, die wir nun nicht
nach dem Fleisch leben, sondern nach dem Geist.« Römer 8,2-4.
Gott sandte seinen Sohn in die Welt, um die Sünde im
Fleisch zu verdammen. Hier müssen wir eine wichtige Unterscheidung treffen. Die
sündhaften Taten kann man als die Sünden des Fleisches bezeichnen, die Sünde im
Fleisch aber ist die innewohnende Macht des steinernen Herzens oder die
fleischliche Gesinnung. Man beachte, dass Jesus nicht kam, um ein
oberflächliches Werk zu tun, das lediglich die Sünden des Fleisches verdammte.
Er kam, um die Sünde zu verdammen, die im Fleisch wohnt; denn das ist die
Wurzel des Problems, die Ursache für die ständige Niederlage, die jeder Mensch
erfährt, der diese böse Macht in sich hat.
Warum kam er, um die Sünde im Fleisch zu verdammen?
»Damit die Gerechtigkeit, vom Gesetz gefordert, in uns erfüllt würde, die wir
nun nicht nach dem Fleisch leben, sondern nach dem Geist. «
Wieder und wieder geht es um dieselbe Botschaft. Das
Alte wird verdammt, ausgerottet und entfernt, damit ein bestimmtes Ziel
erreicht wird: Wir sollen befähigt werden, durch Jesus Christus, unseren Herrn,
ein Leben der Gerechtigkeit zu führen, das vor Gott gilt.
Wozu verdammte Jesus die Sünde im Fleisch, als er kam?
Verdammte er sie dazu, unterworfen und beherrscht zu werden? Oder verdammte er
sie zur Verbannung? Oder war diese Verdammung gar nur eine Erklärung seiner
Missbilligung? Nein, nichts von alledem. Christus verdammte die Sünde zum Tode,
zu einem Tod, der durch seinen eigenen Tod und seine Auferstehung wirksam
wurde.
Nirgendwo wird diese Wahrheit deutlicher dargelegt als
in Römer 6,1-6. »Was sollen wir nun sagen? Sollen wir denn in der
Sünde beharren, damit die Gnade umso mächtiger werde? Das sei ferne! Wie
sollten wir in der Sünde leben wollen, der wir doch gestorben sind? Oder wisst
ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in
seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod,
damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des
Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm verbunden
und ihm gleichgeworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der
Auferstehung gleich sein. Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm
gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so dass wir hinfort
der Sünde nicht dienen.
In Vers 6 kommt es zum Höhepunkt dieses ganzen
Arguments. In den vorhergehenden Versen wird gezeigt, dass alle, die in
Christus Jesus sind, das heißt alle, die als wahre Kinder Gottes gerechtfertigt
sind und ein Anrecht auf das himmlische Reich haben, mit Christus gestorben und
auferstanden sind. Im sechsten Vers wird dann ausdrücklich gesagt, was
tatsächlich gestorben ist.
Doch bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, was
sterben muss, ehe wir von der Sünde frei werden, sollten wir die Macht der
Botschaft erfassen, die in den ersten fünf Versen vermittelt wird. Diese
Botschaft lehrt, dass nur der Mensch leben kann, der gestorben ist. Damit wird
auf eine andere Art und Weise gesagt, dass das Alte gehen muss, bevor das Neue
kommen kann. Es ist der Tod, der das Alte wegnimmt, und die Auferstehung, die
das Neue bringt.
Diese Wahrheit wird in dem genannten Abschnitt am
deutlichsten in Vers 5 ausgedrückt: »Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm
gleichgeworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung
gleich sein. «
Der erste Teil dieses Verses ist ein Bedingungssatz:
»Wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleichgeworden sind in seinem Tod . . . «
Damit wird die bedeutende Wahrheit zum Ausdruck gebracht, dass alles andere
nur folgen kann, wenn diese Bedingung erfüllt ist. Nur wer mit Christus
gestorben ist, kann auch mit ihm leben. Mit anderen Worten, nur wenn das Alte
weggenommen wurde, kann das Neue kommen. Erst muss der Dornbusch entfernt
werden, dann kann der Apfelbaum seine Stelle einnehmen. Niemals können oder
werden beide Samen an derselben Stelle wachsen.
Was sagt Paulus nun mit diesen Versen? Sind das
wohlklingende, aber bedeutungslose Phrasen? Oder sind es der Wirklichkeit
entsprechende Worte über tatsächliche Erfahrungen? Was meint er,
wenn er sagt, dass wir mit Christus sterben müssen? Müssen wir tatsächlich
sterben, oder ist hier nur ein bestimmter Wan-del in unserer Geisteshaltung
gemeint?
Viele finden es schwer zu glauben, dass es hier um
einen tatsächlichen Tod geht, denn sie unterscheiden nicht zwischen dem
sündigen Fleisch und der sündigen Gesinnung des Fleisches, die auch als das
steinerne Herz, der alte Mann oder der Sündenherr bezeichnet wird. Weil man
im Allgemeinen glaubt, die sündige Natur sei nichts anderes als das Fleisch,
und weil bekannt ist, dass das irdische Leben eines Menschen nicht endet, wenn
er wiedergeboren wird, nimmt man an, dass der hier angesprochene Tod nur eine
bildliche Figur sei.
Man stellt sich vor, es handle sich dabei um etwas,
dass dem Menschen lediglich zugerechnet oder zugeschrieben wird, das in
Wirklichkeit aber nur im Leben Christi stattgefunden hat.
Es stimmt natürlich, dass derjenige, der die Erfahrung
von Römer 7 hinter sich lässt und ein wirklich auferstandenes Kind Gottes wird,
keinen leiblichen Tod erfährt. Als bekehrter Mensch hat er dasselbe Fleisch
und Blut wie vorher, als er noch »von der Welt« war. In diesem Bereich hat kein
Tod und keine Veränderung stattgefun-den. Das sündige Fleisch ist
sterblich. Davon wird der Gläubige erst am großen Auferstehungsmorgen befreit
werden, wenn Christus herabkommt, um sein Volk in das himmlische Heim zu holen.
Und doch stirbt er — denn wenn er nicht stirbt, kann
er nicht in Christus sein. Aber was stirbt? Die Antwort wird uns in Vers 6 gegeben:
»Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist . . . «
Hier wird etwas als »unser alter Mensch« bezeichnet. Was ist mit diesem Begriff
gemeint? Wer oder was ist der alte Mensch? Damit wir das richtig verstehen,
heißt es im zweiten Teil des Verses, dass der alte Mensch gekreuzigt wird, »damit
der Leib der Sünde vernichtet werde«. Paulus hätte auch schreiben können:
Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der alte
Mensch vernichtet werde. Doch anstatt den Begriff zu wiederholen, gebraucht er
beim zweiten Mal die Bezeichnung »der Leib der Sünde«. Damit hilft er
uns zu verstehen, dass der alte Mensch und der Leib der Sünde ein und dieselbe
Sache beschreiben.
An einer anderen Stelle, in Römer 7,24, spricht er von
dem »todverfallenen Leib«, was wiederum nur ein anderer Ausdruck für das
ist, was er ein paar Sätze zuvor als das »Gesetz der Sünde« bezeichnet hat. Von
dem, was wir bisher schon studiert haben, wissen wir nun, dass sich all diese
Begriffe — der »alte Mensch«, der »Leib der Sünde«, der »todverfallene Leib«
und das »Gesetz der Sünde« — auf jenen dritten Bereich bezie-hen: die
fleischliche Gesinnung, die dem Gesetz Gottes nicht Untertan ist und es auch
nicht vermag.
Das ist es, was im Leben derer, die zur Bekehrung
kommen, gekreuzigt wird und stirbt. Das ist es, was durch Tod beseitigt werden
muss, damit ein neues Leben durch die Auferstehung an die Stelle des alten
treten kann.
Die Tatsache, dass hier ein wirklicher Tod stattfinden
muss, darf nicht missverstanden werden. Kreuzigung ist keine Verbannung. Sie
ist keine lebenslängliche Gefängnisstrafe. Sie bedeutet nicht, in Ketten gelegt
oder unter Kontrolle gebracht zu werden. Kreuzigung ist eine Form der
Hinrichtung, durch die jemand getötet werden soll. Die Henker haben ihre Aufgabe
erst erfüllt, wenn dieses Ergebnis erreicht ist.
Wenn nun Paulus sagt, dass der alte Mensch gekreuzigt
wird, meint er tatsächlich, dass er getötet wird. Damit dies nicht
missverstanden wird, sagt er, dass der alte Mensch gekreuzigt ist, damit der
Leib der Sünde vernichtet werde. Wenn etwas vernichtet wird, hört es einfach
auf zu existieren. Seine Lebensgeschichte ist zu Ende. Es ist nicht mehr da.
Bei all den anderen Texten und Beispielen haben wir
gesehen, dass dieses Werk immer zu einem ganz bestimmten Zweck getan wird. Der
Mensch soll dadurch vom Ungehorsam zum Gehorsam gelangen können. Er soll aus
seinem beklagenswerten Zustand, wo er das, was er will, nicht tun kann, in den
Zustand versetzt wer den, wo die vom Gesetz geforderte Gerechtigkeit in seinem
Leben verwirklicht wird. So wird uns auch in diesem Text gesagt, dass der alte
Mensch gekreuzigt und der Leib der Sünde vernichtet wird, »so dass wir hinfort
der Sünde nicht dienen«.
Die Natur liefert sehr treffende Gleichnisse für die
Wahrheiten des Evangeliums. Auch die Wahrheit dieses Verses wird klarer
hervortreten, wenn wir noch einmal zu unserem Dornbusch zurückgehen. Wir wollen
ihn an die Stelle des alten Menschen setzen und den Text dann in Hinsicht auf
einen Gärtner lesen, der gute Früchte möchte, aber nur einen Dornbusch hat. Er
reißt den Dornbusch aus und ersetzt ihn durch ein Apfel Bäumchen. Dann sagt er: »Wir wissen ja, dass der alte Baum mit den Wurzeln ausgerissen wurde,
damit der Dornbusch vernichtet wird, so dass er hinfort keine Dornen mehr
bringt. « Es wird wohl niemandem schwerfallen, zu sehen, dass dieser Grundsatz
in der Natur voll zur Geltung kommt; und es ist auch leicht ersichtlich, wie er
dort wirkt. Als nächstes braucht man denselben Grundsatz nur noch auf den
geistlichen Bereich zu übertragen, und man wird genauso deutlich verstehen,
inwiefern das Werk der Seelenreinigung die Voraussetzung für den Sieg über das
Sündenproblem schafft.
Fortsetzung folgt: Die Befreiung
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