Wir sind noch beim Thema wie sich der mystische
Glaubensweg vom Luther-Evangelium unterscheidet. Oder genauer gesagt, wie
gegensätzlich sich diese beiden Glaubens-Auffassungen sind. Die bereits
beschriebenen Beispiele wollen wir mit den folgenden ergänzen, weil es sich um
grundlegende Fragen handelt. Beim für Mystiker nicht unwichtigen Thema der
inneren Eingebung, der Visionen oder der Offenbarungen kommt die Divergenz ganz
deutlich zum Ausdruck. Es geht bei dieser Frage um die „Kommunikation Gottes“
mit den Menschen, wenn wir das einmal sehr modern ausdrücken wollen. Es geht
mir an dieser Stelle vor allem um die Kommunikation Gottes mit der
(Einzel-)Person und nicht um die Religionsgemeinschaften der Neuoffenbarer,
denn der Mystiker bewegt sich kaum bis gar nicht in organisierten
Gottesdienst-Events jeglicher Art.
Eingebungen,
Visionen und Offenbarungen
Die lutherische Theologie steht auf dem
strikten Standpunkt, dass der biblische Kanon abgeschlossen ist. Sola
scriptura. Gott hat alles gesagt, was zu sagen ist, hat alle Weisheiten
kundgetan, mehr Weisheiten gibt es nicht. Jedenfalls für den Erdenmenschen
nicht. Das wird mit ein oder zwei Bibelversen begründet, auch wenn sie an den
Haaren herbeigezogen werden wie z.B. der Schluss der Offenbarung:
„Ich bezeuge jedem, der die Worte der
Weissagung dieses Buches hört: Wenn jemand etwas hinzufügt, so wird
GottGott ihm die Plagen zufügen, von denen in diesem Buche geschrieben
ist;Parallelstellen anzeigen und wenn jemand etwas hinwegnimmt von den Worten des
Buches dieser Weissagung, so wird Gott wegnehmen seinen Anteil am Baume des
Lebens und an der heiligen Stadt, von denen in diesem Buche geschrieben steht.“
Obschon es klar und deutlich geschrieben
steht, dass es um die „Weissagungen dieses Buches“ geht, also um das Buch der
Offenbarung des Johannes, überträgt die Theologie diese Verse auf die ganze
Bibel. Damit wird eine Regel aufgestellt, die dann ihrerseits wieder im Widerspruch
zu weit mehren Versen steht.
Eingebungen, Visionen und Offenbarung,
welche nicht bereits vorformuliert in der Bibeln stehen, sind für die
Kirchenchristen zum vornherein nicht annehmbar. Sola scriptura. (Ausgenommen
sind selbstredend die Lutherschriften!)
Gerd Kujot hat das auf seiner Webseite
mit sehr treffenden Worten geschildert, die ich hier ungekürzt wiedergebe:
In den verschiedenen christlichen Gemeinschaften und
Kirchen wird gelehrt, daß die Offenbarung Gottes an uns Menschen mit der Bibel
abgeschlossen sei. Die katholische Kirche läßt zwar Privatoffenbarungen zu,
wenn sie im Rahmen der kirchlichen Lehre bleiben, fühlt sich aber nicht an sie
gebunden. In anderen Gemeinschaften sind Weissagungen sogar erwünscht, sie
dürfen sich aber nicht außerhalb ihrer eigenen Bibelauslegung bewegen.
Für diese fast durchwegs ablehnende Haltung neuen
Offenbarungen gegenüber wird die Bibelstelle aus dem 1. Kapitel des
Hebräerbriefes, Vers 1-2 angeführt. Dort heißt es: „Nachdem Gott vor Zeiten
manchmal und auf mancherlei Weise zu den Vätern geredet hat durch die
Propheten, hat Er zuletzt in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn.“
(Hebr. 1,1-2)
Zuletzt heißt nicht immer das letzte Mal und dann nie
wieder. In diesem Vers ist nicht die Rede davon, daß Gott die letzte Rede an
uns Menschen gehalten habe und dann weiterhin nicht mehr reden werde. Damals
als der Hebräerbrief geschrieben wurde, da hatte Gott zuvor auf mancherlei
Weise gesprochen, aber zuletzt durch den Sohn. Das schließt aber eine weitere
Rede Gottes an uns Menschen nicht aus. Wenn ein Redner z. B. in mehreren
Städten geredet hat und dann gesagt wird: „Zuletzt hat er in München geredet“,
so heißt das nicht, daß er dann in Zukunft gar nicht mehr reden wird, sondern
daß er die nächste Rede wieder in einer anderen Stadt halten wird.
Die Bibel enthält nicht nur keinen einzigen Text, der
eine erneute Offenbarung Gottes an die Menschen ausschließt, sondern im
Gegenteil viele Stellen, in denen auch von weiteren Offenbarungen in unserer
Zeit die Rede ist. Es gibt kein schöneres Ereignis für einen Christen, wenn
sich Jesus ihm offenbart, wie Er es im Johannesevangelium verheißen hat: „Wer
Meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der Mich liebt; wer aber Mich liebt,
der wird von Meinem Vater geliebt werden, und Ich werde ihn lieben und Mich ihm
offenbaren.“ (Joh. 14,21) In diesem Bibelvers werden die Bedingungen dafür
genannt, daß sich Jesus offenbaren kann. Wer diese Bedingungen erfüllt, dem
wird Er sich dann auch offenbaren.
„Solches habe Ich zu euch gesprochen, während Ich noch
bei euch bin; der Beistand aber, der heilige Geist, welchen mein Vater in
Meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles
erinnern, was Ich euch gesagt habe.“ (Joh. 14,25-26) - Wo ist die Erfüllung
dieser Verheißung, daß der heilige Geist den Menschen alles lehren und sie an
alles erinnern wird?
„Noch vieles hätte Ich euch zu sagen, aber ihr könnt
es jetzt nicht ertragen. Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird Er
euch in die ganze Wahrheit leiten; denn Er wird nicht von Sich Selbst reden,
sondern was er hören wird, das wird Er reden, und was zukünftig ist, wird Er
euch verkündigen.“ (Joh. 16,12-13)
"Noch vieles hätte Ich euch zu sagen, aber ihr
könnt es jetzt nicht ertragen." - Aus diesem Vers sehen wir, daß Jesus
Seinen Jüngern gerne noch vieles gesagt hätte, was sie aber damals noch nicht
ertragen konnten. Deshalb verhieß Er ihnen und allen ihren Nachfolgern den
Geist der Wahrheit, der sie dann in die ganze Wahrheit leiten und der zu ihnen
reden würde, d.h. der ihnen das sagen würde, was Jesus ihnen zu Seiner
Erdenlebenszeit noch gerne gesagt hätte, einschließlich der Verkündigung des
Zukünftigen. Wir sehen daraus, daß es für die Menschen eine Notwendigkeit ist,
daß von Zeit zu Zeit neue Offenbarungen erfolgen müssen, damit die Menschheit
in der Wahrheit geleitet wird. Wie ein Lehrer seinen Schülern in der ersten
Klasse nur wenige grundlegende Dinge sagen und ihnen erst mit ihrem Älter- und
Reiferwerden von Klasse zu Klasse mehr beibringen kann, so kann es auch Gott
mit uns Menschen nicht anders machen. Deswegen sagte Paulus: "Und ich,
meine Brüder, konnte nicht mit euch reden als mit geistlichen, sondern als mit fleischlichen
Menschen, als mit Unmündigen in Christus. Milch habe ich euch zu trinken
gegeben, und nicht feste Speise; denn ihr vertruget sie nicht, ja ihr vertraget
sie jetzt noch nicht; denn ihr seid noch fleischlich." (1.Kor. 3,1-2)
Dass Eingebungen, Visionen und
Offenbarungen in der Tat von niederen Geistern veranlasst werden können, soll
nicht verschwiegen werden, denn von da geht eine nicht geringe Gefahr aus. Wir
kommen aber noch ausführlich darauf zurück, wenn wir von den Vorausetzungen
sprechen werden. Leider hat diese Gefahr zu allerlei Religionsgemeinschaften
geführt, welche, wie Luther, ein eigenes Evangelium lehren. Wie gesagt wir
kommen noch darauf zurück. Aber deswegen dürfen wir nicht alles in Grund und Boden
verdammen.
Eigentlich sollte es jedem klar sein,
dass die Bibel zwar für das Grundwissen des Heilsplans Gottes unschätzbare
Dienste leistet, aber für die individuelle Führung bei Tagesfragen taugt sie
doch nur bedingt. Und wer eine persönliche Beziehung mit Christus will und hat,
der kann auch auf eine persönliche Kommunikation nicht verzichten. Eingebungen,
Visionen und Offenbarungen sind so normal und natürlich wie das beten.
Das
Leiden - oder das Kreuz
„Nehmet
das Kreuz auf euch und folget Mir nach!“ Dieses bekannte Jesuswort kennt
jeder. Aber nichtdestotrotz hört man immer wieder, „Jesus hat für mich gelitten“, „Jesus hat das
Kreuz für mich getragen“ usw. Na schön, dann hat sich die Frage des Leidens für
Christen schon erledigt.
Die wie Unkraut aus dem Boden schiessenden
Charismatischen Gemeinden gehen sogar noch einen Schritt weiter: „Gott will,
dass wir ein glückliches Leben und Erfolg haben“. „Gott will, dass Du gesund
bist!“ Auf den Webseiten solcher Gemeinden sieht man denn auch zahlreiche Fotos
mit überglücklichen Gesichtern und junge Familien, die von Gesund und Erfolg
nur so strotzen.
Der Mystiker hingegen weiss und erlebt es
täglich, das das Leiden Bestandteil seines mühsamen irdischen Lebens ist. Ich
weiss, dass das keine angenehme Propaganda für die Mystik ist, aber wir stehen
ja in der Wahrheit und zeugen von der Wahrheit. Jedoch erfüllt das Leiden oder
das „Kreuz auf sich nehmen“ einen ganz bestimmten Sinn und Zweck. Ich habe
schon oft darüber geschrieben und werde auch weiter noch darüber schreiben.
Nicht nur das Ego, sondern auch die
Naturgeister der Seelenspezifikationspartikel und natürlich jene weit tiefer im
Gericht sitzenden Naturgeister des Leibes können nur durch das Leiden zermürbt
und dann erlöst werden. Das ist aber die Kraft Gottes, welches solches
bewerkstelligt, die Seele oder der Mensch muss einfach durch diese Entwicklung
durch. Wenn er es scheut, in diesem Leben diesen Prozess zu durchlaufen, so
wird er es in der Ewigkeit müssen – und das ist dann weit schlimmer!
Lehre/Dogma
Die Theologische Lehre ist eine Spezialität
der Kirchen. Sowohl der Katholischen wie auch den Evangelikalen. Solche Lehren
werden dann als sogenannte „Glaubens-Programme“ oder Glaubens-Bekenntnisse
zusammengefasst. Das bekannteste ist wohl das Augsburger-Bekenntnis, welche auf
der Apologie Melanchton/Luther fusst. Dessen wichtigster Punkt ist ohne Zweifel
die Rechtfertigungslehre, dass wir schon durch den Glauben allein vor Gott
gerecht dastehen.
Eine (solche) Lehre, ja überhaupt ein
Dogma gibt es bei den Mystikern nicht. Ja, kann es nicht geben.
Die Bibel ist
zwar der gemeinsame Nenner, aber darüber hinaus muss jeder Mensch individuell
geführt werden. Der Weg vom Sünder zum Gotteskind ist für jeden Menschen völlig
anders und kann nicht über Lehrmethoden vereinheitlicht werden. Christus lebt
in jedem Menschen und nur Er weiss, was für einen jeden gut und förderlich ist.
Darauf dürfen wir uns verlassen, wer ehrlich und ohne irgendwelche egoistischen
Hintergedanken die Wahrheit sucht, wird von Christus Selbst geleitet und
geführt. Das ist selbstverständlich dann eine individuelle Führung, welche in
kein Schema und kein Programm gepresst werden kann.
Zwei Begriffe nur sind allen gemeinsam: Alles ist aus und durch die Gnade und der Weg vom Sünder zum Gotteskind
führt über den Gehorsam.
Die Wiederkunft
Jesu
Ein weiterer grosser Unterschied der lutherianischen
Theologie und der Mystik und damit auch ein gewichtiger Grund, dass die
Lutherianer die Mystik aufs Vehementeste ablehnen und sogar scharf bekämpfen,
ist die Sicht über der Wiederkunft Jesu.
Die evangelischen Schriftgelehrten und
andere Bibelforscher rechnen schon seit Paulus mit der sehr nah bevorstehenden
Wiederkunft Jesu. Dabei stellen sie sich vor, dass Er als Mensch, als Geist,
eben mit dem Auferstehungsleib hinter einer Wolke erscheint und für alle Menschen
sichtbar wird. Das Gleichnis steht auch so in der Bibel, das wissen wir. Aber
was wir nicht wissen, was ist denn mit den Wüstenbewohnern, welche praktisch
nie eine Wolken sehen? Oder ander gefragt, kann Jesus nur bei diesen
Wetterverhälnissen ercheinen, wenn es auf der ganzen Erde, ohne Ausnahme, leicht
bewölkt ist? Welch absurde Vorstellung! Alle diese Bibelforscher haben aber
noch nicht gelesen, dass das Himmelreich (und das ist Jesus Christus) nicht mit äusseren Gebärden erscheint.
Aber ein Christentum, das nur auf Äusserlichkeiten, auf die Materie baut, das muss
natürlich eine materielle Handhabe haben.
Der Mystiker weiss, dass diese besagten
Wolken eine Entsprechung, ein Gleichnis ist. Das darf man nicht wörtlich
nehmen, sonst befindet man sich in einem grossen Wirrwarr von Widersprüchen. Jesus
hat gesagt, dass Er wiederkommen würde – und zwar noch zu Lebzeiten der
Apostel!!!
Und richtig, nach Seiner Auffahrt dauerte
es genau vierzig Tage bis Er wiederkam. Zwar kam Er nicht in der Form als
Menschensohn, sondern als Gott, der Heilige Geist, als Christus. Und von da an
lebt Er in eines jeden Menschenh Herzen. Ich wiederhole, was ich schon einmal
geschrieben habe:
Wer auf das Kommen Jesu
wartet, verpasst es, mit Ihm zu leben
Wie kann man auf jemanden warten, der
schon da ist? Der Mystiker wartet nicht auf Sein Wiederkommen, denn er lebt mit
dem wiedergekommenen Christus Jesus jeden Tag und in persönlicher Verbindung.
Die Lutherianer verstehen das aber nicht
so, weil es nicht mit so klaren Worten in der Bibel vorformuliert ist. Genau dasselbe
Dilemma zeigt sich mit dem damit eng verbundenen Thema:
Die
Entrückung
Auch hier übernehmen es die Bibelforscher
buchstabengetreu. In einer nicht fernen Stunde sollen alle, die an Jesus
Glauben – schwuppdiwupp – alle gemeinsam durch die Lüfte emporgehoben werden.
Ein Riesenevent, diese Luftnummer! Dabei werden Flugzeuge und Eisenbahnzüge,
LKWs und Motorräder plötzlich führerlos sein. Nicht auszudenken! Aber die
Gläubigen sagen, dass halt alle, die zurückbleiben, selber schuld seien, weil
sie nicht geglaubt haben ...
Der Mystiker weiss, dass die Entrückung schon
seit Paulus Lebzeiten stattfindet. Aber in einer ganz anderen Form, als es das
Luther-Evangelium vorsieht. Hier nur soviel: Entrückt werden alle, welche einen
Auferstehungsleib noch hier im Erdenleben erhalten. Diese Entrückung ist mit
dem leiblichen, natürlichen Tod verbunden und man stelle sich das so vor, dass
bevor der eigentliche Herz-Tod eintritt, die Seele bereits im Himmel
aufgenommen wird. So spürt sie vom Übergang rein gar nichts. Das geschieht auch
im Falle eines Unfalltodes. Für die Welt muss es aber nach einem ganz üblichen
Tod aussehen und sie vernimmt von den eigentlichen Vorgängen rein gar n ichts.
Das muss so sein, damit keine Nötigung für den Glauben entsteht. Leere Gräber
von (echt) Wiedergeborenen zeugen von diesem Vorgang.
Nun, die Reihe der Gegensätze des
Lutherismus und der Mystik könnte beinahe ewig fortgesetzt werden. Ich gehe nur
deshalb auf diese grundlegenden Widersprüche ein, damit man versteht, weshalb
die Kirchen derart gegen die Mystik und deren Praktiken wie Meditation und Kontemplation
vorgehen und ihre Anhänger aufs Allerheftigste davor warnen. Nun nur noch einen
letzten Punkt will ich erwähnen, welcher ebenso die grössten Kontroversen
auslöst:
Himmel
und Hölle
Für den Lutherianer gibt es nur diese
zwei Zustände: Himmel oder Hölle. Und selbstverständlich ist es so, dass nach
ihrer Ansicht nur die Lutherianer den Himmel bevölkern, die Katholiken,
Mystiker und alle anderen aber sich in der Hölle wiederfinden. Das kommt daher,
weil das entscheidende Kriterium eben der alleinige Glaube – selbstverständlich
ohne Werke! – ausschlaggebend ist.Und dieser alleinige Glaube haben eben nur
die Lutherianer.
Der Mystiker, leider etwas weniger
privilegiert, glaubt, dass wer auch nur das minimalste Interesse, also die
allerkleinste Liebe zur Wahrheit hat, auch in der Ewigkeit eine
Weiterentwicklung erfährt. Er weiss aber auch, dass die dazu verlorene
Erdenzeit nur sehr schwer und viel mühsamer nachgeholt werden kann. Und er
weiss, dass wer im jetzigen Erdenleben den Auferstehungsleib nicht erlangen
konnte, ihn auch später nicht erlangen wird. Für den Lutherianer gibt es nur einen
Himmel, der Mystiker weiss aber, dass es viele verschiedenen (Entwicklungs-) Stufen (Sphären) gibt.
Soviel also in kurzen Zügen die
Gegensätzlichkeiten. In der Folge werden wir uns über die Herzenshaltung des
Mystikers und auch über die Gefahren der Mystik unterhalten. Wir werden
erfahren, wer sich besser nicht damit befasst und warum.
Jesus segne dich!
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