Mittwoch, 15. August 2012

Die Flucht vor der Welt

Noch einmal einen Gastbeitrag aus Anlass der Aktualität des Themas. Es zeigt wunderschön, wie zeitlos und stetig aktuell unser (wahres und reines) Evangelium ist. Genau dieselben brandheissen Fragen wie bei den Urchristen beschäftigen uns heute!



Ambrosius von Mailand (340-397) - Die Flucht vor der Welt (De fuga saeculi)
Wiederholte dringende Mahnung zur Flucht.

So fliehen wir denn von hier, wie der heilige Patriarch Jakob aus seiner Heimath floh, weil er wußte, daß das wahre Vaterland im Jenseits lag. Fliehen wir, wie die Hirsche fliehen zur Wasserquelle: nach dieser Quelle dürstete David; laßt auch unsere Seele nach ihr dürsten. Wer ist jene Quelle? Höre ihn selbst: „Bei dir, o Herr, ist die Quelle des Lebens.“ Zu dieser Quelle spricht die Seele: „Wann werde ich kommen und erscheinen vor deinem Angesichte?“ 1 Die Quelle ist Gott selbst: wer nach dieser Quelle verlangt, Der muß seine Seele ganz ausströmen lassen, so daß für die Leidenschaft des Fleisches kein Raum verblieb.

So ließ Susanna ihre Seele sich ergießen, daß [S. 469] keine Gluth des Körpers, keine Schrecken des Todes, keine Begierden des Lebens in sie ihre düsteren Schatten werfen konnte. Ihre Seele drängte jedes fleischliche Begehren, jedes weltliche Streben zurück. Sie hätte selbst die Flammen der Begier in den Herzen der schamlosen gottesschänderischen Greise ersticken können, wenn in diesen nicht die Fluth der Begierlichkeit übermächtig aufgebraust wäre. Da sie sah, daß ihr schmachvolle Nachrede von diesen bereitet würde, wenn sie ihrem Verlangen widerstände, so seufzte sie und sprach: „Ich bin bedrängt von allen Seiten, denn wenn ich Das thue, werde ich in ewigem Tode verderben; thue ich es nicht, so entkomme ich euren Händen nicht.“ Sie erachtete es aber für besser, das Verbrechen zu meiden, als der irdischen Gefahr zu entgehen. Wohl weinte sie, als man des Verbrechens sie zieh, — als man das Urtheil über sie, die rein und keusch war, wie über eine Ehebrecherin sprach: aber sie beweinte nicht den Tod, sondern die Schmach und Schande, die der Keuschheit bereitet wurde. Sie beweinte die Beleidigung, welche dem Heiligen zugefügt wurde: sie ließ ihre ganze Seele sich ergießen in diesen Stunden. Hätte sie dem Fleische Freiheit gestattet, so wäre ihr Leib herrschend gewesen. Als sie dann zum Tode verurtheilt wurde, stand sie wie eine Richterin den Anklägern, wie eine schuldlose Herrin den Verläumdern gegenüber. Furcht vor dem Tode kannte sie nicht, aber sie fühlte die Gewalt der ungerechten Anklage: und so erlangte sie es durch die siegreiche Macht ihres reinen Gewissens, daß Gott die Kenntniß ihrer Unschuld vermittelte. So floh Susanna die Welt und begab sich ganz in den Schutz Gottes, indem sie zur Schutzwehr jener ewigen Stadt aufblickte, welche die ganze Welt umfaßt, da ja in Gott alle Dinge sind.

So floh auch Paulus, indem er in einem Korbe aus dem Fenster herabgelassen wurde: er wußte, daß das dreifach gewundene Seil nicht zerreissen würde. Er floh, um das Evangelium der ganzen Welt verkündigen zu können: und darum ist er aufgenommen in das ewige Paradies. So wollen auch wir durch das Fenster fliehen, indem wir das [S. 470] Gebot des Herrn hören, und mit züchtigem Blicke und voller Reinheit des Auges Gott dienen.

Lasset uns fliehen wie Lot, der mehr die Verbrechen der Sodomiter als das drohende Verderben scheute: er vermied ja, indem er den Sodomitern das Haus geschlossen hielt, jede Berührung mit den Verbrechen. So lange er bei ihnen wohnte, wollte er Diejenigen, deren Laster er verabscheute, deren Sünden er haßte, nicht kennen; auf der Flucht aber vermied er es, nach Denen auch nur umzusehen, mit welchen er jeden Verkehr vermieden hatte. Derjenige flieht wie Lot, der der Sünde widersagt, der den bösen Sitten seiner Landsleute sich entzieht, der nicht rückwärts blickt, vielmehr in seinem Geiste vorwärts schaut nach jener höheren Stadt, die ihm Rettung bietet; der dort ausharrt, bis auch für ihn jener Hohepriester stirbt, der die Sünden der Welt hinwegnimmt. Zwar ist er einmal gestorben und stirbt nun nicht mehr: aber mit dem Apostel können wir doch sagen, daß er Jedem, der getauft wird auf den Tod Christi, wiederum stirbt, damit wir mit ihm begraben, auch mit ihm auferstehen und dann in jenem neuen Leben mit ihm wandeln.

Du wirst eine gute Flucht haben, wenn dein Herz die Rathschläge und Gedanken der Gottlosen nicht nachahmt. Segenbringend ist deine Flucht, wenn dein Auge Becher und Gläser flieht, damit nicht, während es am Weine haftet, die Begierde in dir rege werde. Heilsam ist deine Flucht, wenn dein Auge nicht zu einer Fremden hinschaut; deine Zunge wird dann auch Treue bewahren. Gut ist deine Flucht, wenn du dem Thörichten auf seine Thorheit nicht antwortest; wenn du dich fernhältst von dem Munde der Gottlosen. Rasch fällt Derjenige in Irrthum welcher schlechter Führung folgt; willst du aber zu deinem Heile suchen, so halte deinen Weg weit ab von solchen Führern.

Gestorben ist der König der Priester auch für dich; [S. 471] er ist auch dir gekreuzigt, damit du an seine Nägel dich heftest. In seinem Fleische hat er auch deine Sünde gesühnt. Der Schuldbrief auch für deine Sünden ist zerrissen an das Kreuzesholz angenagelt: du schuldest der Welt, der du einmal entsagt hast. Nichts mehr. Mit vollem Rechte wird Das betont, da dir aufliegt, zu sagen: „Mir ist die Welt, ich bin der Welt gekreuzigt.“ Du darfst den Tod nicht mehr fürchten, wenn du Christus in dir trägst, indem du sagen kannst: „Tod, wo ist dein Sieg? Wo ist, o Tod, dein Stachel?“ Wenn unser alter Mensch an’s Kreuz geheftet ist, so ist die Sünde vernichtet, der Stachel entfernt, die Schuld getilgt: wir müssen dann aber auch ablassen, ferner noch der Sünde zu dienen. Der alte Mensch ist todt; wir sind nun eine neue Schöpfung, in der Ähnlichkeit mit Jesus Christus. In der Ähnlichkeit seines Todes mit ihm begraben, haben wir nun auch das Ebenbild seines Lebens angenommen; ja die Flügel himmlischer Gnade haben wir empfangen.

So schwinget euch denn empor, daß auch von euch gesagt wird: „Wer sind Die, welche wie Wolken daher fliegen und wie Tauben zu ihren Gittern?“ 2 Daß doch die Wolken die Gerechtigkeit thaueten, daß die Einfalt der Tauben das Erbtheil wäre! Über die Welt hinaus richtet den Lauf eures Schiffes; irret nicht in ihr umher, gleich den Tharsisschiffen, bis ihr beladen mit den Reichthümern des Meeres im sicheren Hafen einläuft. Eilet so, daß von euch gesagt werden kann: „Schneller sind sie, als die Adler unter dem Himmel.“ Sehet zu, wie ihr dem kommenden Zorne entfliehet, dem Diejenigen ausbeugen konnten, die durch Reue und Buße sich die Hoffnung auf Verzeihung sicherten, die den Glauben an die Versöhnung bewahrten durch unseren Herrn Jesum Christum, dem die Herrschaft gebührt, jetzt und immer und in alle Ewigkeit. Amen.

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