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Mittwoch, 2. März 2016

Weltflucht und Leibfeindlichkeit



„Weltflüchtlinge“ und „Leibfeindliche“, das sind die noch lieblichsten Kosenamen für diejenigem, welche es mit der Nachfolge ernst meinen und ihr ganzes Leben im pragmatischen Sinne umkrempeln und in einer gewissen „Weltfremdheit“ leben. So ganz daneben ist der Habitus der Weltignoranz nicht. Doch werden die besagten Begriffe leider etwas falsch verstanden und demzufolge ist die obige Charakterisierung nicht ganz so schmeichelhaft – aber doch von der Art, mit der wir ganz gut leben können.

Wir wollen heute etwas näher auf die bewusst selbstgewählte Isolation eingehen und wollen sehen, inwieweit eine „Weltflucht“ und „Leibfeindlichkeit“ biblisch ist und inwieweit dies von denen, welche es ins Lächerliche ziehen, sträflich vernachlässigt wird. Ebenso wollen wir bei dieser Gelegenheit das Beinahe-Schimpfwort „die Sündlosen“ nochmals unter die Lupe nehmen.



Weltflucht


Ich habe es nicht gezählt, wie oft ich schon der Weltflucht bezichtigt worden bin. Das immer dann, wenn ich grösseren Festanlässen fernbleibe,  nicht über Fernsehserien mitdiskutieren in der Lage bin oder Vergnügungen, welche ja meist etwas zweifelhaft sind, nicht teilnehme. „Der hat keine Ahnung, was leben ist“, höre ich immer wieder (mit einem Schmunzeln). Dabei meide ich alles dies nicht aus gesetzmässigen, also nicht aus religiösen Gründen, sondern ganz einfach deshalb, weil es mich zutiefst anekelt, was jedesmal bei diesen Events herauskommt.

Aber selbst Kirchenfreunde können es selten begreifen, dass man nicht mit „beiden Füssen in der Welt steht“, wie sie es nennen und bezichtigen einem sogar des öfteren mit Eskapismus, also mit Realitätsfremde, Flucht in eine Scheinwelt.

Wir sind zwar nicht von dieser Welt, aber in dieser Welt – und das solange, wie wir noch in unserem Körper sind“. Das ist ein herrliches Argument, um die Liebe und den Genuss des Lebens in der Welt zu rechtfertigen, zumal es dann noch heisst, dass „Gott all das geschaffen hat und sagte, dass es gut sei“.

Aber ganz so einfach, wie viele unbedarfte Bibelleser meinen, ist es denn doch nicht. Was Gott geschaffen hat und wie Er im 1. Mose 1. 31 sagte, „Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut“, hatte lediglich eine Gültigkeit von ganzen 5 Moseskapitel, denn bereits im 6. Kapitel tönte es vom Himmel her ganz anders: „da reute es ihn, daß er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen“. Dieses Göttliche Urteil wurde meines Wissens bis heute nicht mehr revidiert.

Seither ist der Mensch ein Gefangener der Materie, des Sichtbaren, des Vergänglichen – das alles durch die Weltliebe. Die Lust an dieser Welt hat das ganze Wesen des Menschen vereinnahmt und er ist kaum mehr in der Lage, sich davon zu lösen. Die Materie ist Geist, ist gefangener und gefestigster Geist im Gericht und übt eine unverhältnismässige Anziehung auf die Seele aus. Diese ist interessanterweise als Geistige Substanz der Materie eher zugetan als der feingeistigen, unsichtbaren Welt. Interessant vor allem deshalb, weil die gesamte materielle Substanz unter dem Einfluss des Widersachers Gottes, die feingeistige Welt hingegen das eigentliche Reich Gottes ist.

Noch viel interessanter aber ist die Tatsache, dass Seelen, welche sich bewusst zum Reiche Gottes bekennen, trotzdem noch dem materiellen Reich, dem Fürsten dieser Welt, anhangen! Wie kommt das? Wie kann man die Werke, also die Erzeugnisse und Produkte der Finsternis trotzdem lieben, obschon in der Seele ein starker Zug zur Göttlichen Erkenntnis und Weisheit zu spüren ist?

Die Antwort liegt wahrscheinlich darin, dass sich diesen unentschlossenen Seelen das eigentliche Wesen der finsteren Mächten noch nicht erschlossen hat. Alle Materie, alles Vergängliche sind Aspekte der Finsteren Welt und wir sind in diese Welt hineingestellt, und müssen uns für diese kurzen Erdenzeit der Materie bedienen. Aber wie wir eben nur Fremdlinge und Gäste sind, so bedienen wir uns der Welt nur mit dem Nötigsten, mit dem Unumgänglichsten, was wir für den Unterhalt unserer Materie, dem materiellen Leib, benötigen. Und genau hier liegt die Krux: Wir (die Nachfolger Jesu) bieten dem Fürsten dieser Welt nicht mehr Interesse und damit Liebe, als wir für den leiblichen Lebensunterhalt von uns und unserem Nächsten benötigen! Die Seele selbst aber sollte dabei immer und stets auf das geistige Reisch ausgerichtet sein.

Verwechselt man nun das Geistige Reich mit der materiellen Welt, dann gibt es einen Konflikt. Man glaubt Gott zu dienen, man meint nach dem Reiche Gottes zu trachten, folgt aber fälschlicherweise dem Widersacher nach. Alles was vergänglich ist, alle Begierden und Leidenschaften, die immer und immer wieder befriedigt werden müssen, sind die Lüste und damit Aspekte dieser Welt.

„Welche aber Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden. So wir im Geist leben, so lasset uns auch im Geist wandeln“ (Gal. 5.24)
Paulus verrät uns sogar den Trick, wie man diese Lüste der Welt flieht: „Ich sage aber: Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen.“ (Vers 16)

Der Märtyrer Michael Sattler (hingerichtet 1527) schreibt seinen Brüdern in Horb a.N.:

„Liebe Brüder, seid eingedenk, mit was Paulus seinen Titus ermahnt. Er spricht so: „Die heilsame Gnade Gottes ist erschienen allen und züchtigt uns, dass wir sollen verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt ...“
Wenn die Nachfolger Jesu nun mit „Weltflucht“ charakterisiert werden, so ist das auf der einen Seite absolut gerechtfertigt. Sie fliehen die Lüste dieser Welt, auch wenn es vielleicht anfänglich ein innerer Kampf bedeutet, so zwingt er sich damit, sich auf das Geistige Reich auszurichten.

Auf der anderen Seite aber ist der Nachfolger Jesu kein „Weltflüchtling“, wenn es darum geht, gewissenhaft seine weltliche Arbeit zu verrichten. Dann gilt für ihn, dass er alles, was er tut, für Gott tue. Er verrichtet die weltliche Arbeit zur Ehre Gottes in Wahrheit.



Die Leibfeindlichkeit


In den christlichen, kirchentreuen Diskussionsforen begegnet man dem Vorwurf der Leibfeindlichkeit immer wieder, wenn es darum geht, ob ein Christ den persönlichen Begierden freien Lauf lassen darf/soll/kann oder nicht. Da werden dieselben Argumente, (in allen Denominationen) ins Feld geführt wie beim Thema Weltflucht. Darum möchte ich hier nicht weiter darauf eingehen, weil es das Thema berührt, welches ich schon in unzähligen Aufsätzen behandelt habe.

In allen Kirchen, der katholischen, reformierten wie den evangelischen Freikirchen wird klar gegen alle Leibfeidlichkeit ins Feld gezogen. Der Leib, mit allem Drum und Dran, ist von Gott geschaffen, ebenso ist der Leib ja nicht zuletzt auch der Tempel Gottes. Wie sollte man da eine Leibfeindlichkeit aufrechterhalten wollen? Wäre ja die barste Sünde.

Nun, genau deshalb, weil der Leib der Tempel Gottes ist, muss einer gewissen Leibfeindlichkeit unpopulärerweise das Wort gesprochen werden. Jedenfalls im Hinblick der Feidlichkeit all dessen, was den Leib verunreinigt. Und das sind, wie könnte es anders sein, wieder die Lüste, Begierden und Leidenschaften. Wie wir es letzen Mittwoch im Aufsatz Das Kernkraftwerk Gottes gesehen haben, ist es Gottes Anliegen, dass wir mittels der Kraft des Evangeliums alle diese weltlichen und fleischlichen Lüsten und Triebe dem Leibe fernhalten. Das wäre dann aber weniger eine Leib-, als vielmehr eine Lustfeindlichkeit. In diesem Sinne ist die Leibfeindlichkeit ein Gebot Gottes.

Keuschheit, Enthaltsamkeit und Askese ist in den evangelischen Kirchen verpönt, ja sind sogar gewisse Reizwörter – aber warum auch? Es ist doch biblisch, von Jesus und allen Aposteln gefordert und trotzdem mit spitzfindigen Argumenten umgedeutet. Ich denke, es kommt daher, weil in der Theologie der Mensch ein ganzheitliches Wesen als Seele und Körper definiert wird. Ganz im Gegensatz zu uns, die wir den Menschen als dreieiniges Wesen von Körper, Seele und Geist erkennen. Dreieinig – drei in eins - und doch in alle drei Teile zerlegbar. Der materielle Leib, welcher nach der Trennung von der Seele nicht mehr lebensfähig ist und verwest (sofern er nicht verwandelt ist), die geistige Seele, welche problemlos ohne den Leib weiterlebt und der Geist, sofern er Gelegenheit hatte, erweckt zu werden.

Da es in der theologischen Erkenntnis eine Wesensgleichheit von Körper und Seele gibt, kann auch keine Notwendigkeit einer Heiligung und Läuterung der Seele erkannt werden. Ist der materielle Körper und die geistige Seele eine untrennbare Einheit, dann bleibt der Mensch natürlich und der natürliche Mensch versteht und vernimmt bekannterweise nichts vom Geiste Gottes ...

Somit verhilft die „Leibfeindlichkeit“ zur differenzierten Sichtweise über das Zusammenwirken und das Wesen von Körper und Seele.



Die „Sündlosen“


Eine gewollt abschätzige Benennung ist die Sündlosen, wie jene genannt werden, welche im Glauben und in der Gnade die Kraft Gottes wirken lassen, dass sie sich in der Ordnung Gottes befinden.

Aus allen kirchlichen Demoninationen tönt es einhellig, dass es nicht möglich ist, ohne Sünde zu leben. „Wir alle sind Sünder, da ist nicht einer ... usw.“, dient als Hauptargument. Nun, das ist natürlich klar, dass nicht einer nicht gesündigt hätte, und dass wir allzumal Sünder sind. Das streitet auch niemand ab, sonst wäre ja eine Umkehr nicht nötig. Aber um das geht es nicht. Es geht um das Leben in dieser Welt nach der Umkehr. Nach der Umlehr ist die Sünde Vergangenheit. Und wer in der deutschen Grammatik etwas versiert ist, kennt den Unterschied zwischen der Vergangenheits- und der Gegenwartsform. Paulus gibt uns einen kleinen Einblick in diese grammatikalische Wunderwelt:

Auch euch, die ihr tot waret, durch eure Übertretungen und Sünden, in welchen ihr einst wandeltet nach dem Lauf dieser Welt, nach dem Fürsten, der in der Luft herrscht, dem Geiste, der jetzt in den Kindern des Unglaubens wirkt, unter welchen auch wir alle einst einhergingen in den Lüsten unsres Fleisches, indem wir den Willen des Fleisches und der Gedanken taten; und wir waren Kinder des Zorns von Natur, gleichwie die andern.“ (Eph. 2.1 ff)
Das waren 5 Beispiele davon, wie das frühere Leben, also jenes in der Vergangenheit, ausgesehen hat. Nun gibt er uns aber auch fünf Beispiele, was die Gegenwart betrifft, was auch in der Grammatik zum Audruck kommt:
Was wollen wir nun sagen? Sollen wir in der Sünde verharren, damit das Maß der Gnade voll werde? Das sei ferne! Wie sollten wir, die wir der Sünde gestorben sind, noch in ihr leben? Oder wisset ihr nicht, daß wir alle, die wir auf Jesus Christus getauft sind, auf seinen Tod getauft sind? Wir sind also mit ihm begraben worden durch die Taufe auf den Tod, auf daß, gleichwie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt worden ist, so auch wir in einem neuen Leben wandeln
Darf man sagen, man lebe in der Ordnung Gottes? Oder ist das Hohmut – und damit wieder eine Sünde? Jesus sagt, dass nur derjenige ins Himmelreich komme, der den Willen des Vaters tut. Ich denke, dass derjenige, welcher sich nicht nur bekehrt, sondern eine wahre Umkehr vollzogen hat, ein solches Leben führt, dass die Mitmenschen ihm dieses Zeugnis ausstellen können. Wer aber von vornherein der Meinung ist, dass ein Leben in der Ordnung Gottes eine Unmöglichkeit sei, macht Jesus zum Lügner und das mit in-den Himmel-kommen wird dann seine geweisten Wege haben.


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