Im Zentrum
der christlichen Mystik steht das Kreuz. Anders als in der Mystik des Buddhismus,
der Esotherik oder gar des Islam (Sufismus), steht die Kreuzigung Jesu für die
Erlösung der Menschheit. Und zwar für die Erlösung aus der Knechtschaft der
Sünde, also die Befreiung aus der Gefangenschaft Satans, in welche uns Adam
einst gebracht hat. Es geht nicht um die Vergebung der Sünde, welche Du oder
ich am nächten Samstag begehen werden, sondern um die Erbsünde. Dank der
Erlösung müssen wir nicht mehr sündigen, Satan muss uns freigeben, wenn wir
dies wollen. Leider wollen nur sehr wenige Menschen frei sein, die meisten –
auch Christen! – bleiben in der Sklaverei, weil dieses Leben ihnen wohlbekommt.
Viele
Kirchen-Christen sind der Meinung, Jesus sei für die Vergebung jener Sünden
gestorben, welche sie am nächste Samstag begehen werden. Dies ist eine perfide Irrlehre.
Diese Meinung, dass die noch nicht begangenen Sünden bereis vergeben sind,
gründet sich auf einen gewissen Martin Luther:
"Sündige
tapfer, aber glaube noch tapferer und freue dich in Christus, der Sieger ist
über Sünde, Tod und Welt!" (Brief an Philipp Melanchthon vom 1.8.1521;
Weimarer Ausgabe, Briefwechsel 2, Nr. 424)
Weiter
liess dieser Evangeliums-Erfinder auch verlauten:
„Der
Mensch ist Sünder und Gerechter zugleich“
„pecca fortiter“ (sündige tapfer) und “iustus et peccator“ (Sünder und
Gerechter) steht diametral der Bibel gegenüber. Aber die „Bibeltreuen“ (ach,
wenn sie’s nur wären!) schert das nicht, wenn der Übervater Luther das sagt,
wirds wohl stimmen.
Wer nur
allein auf die Bibel konzentriert ist, ist nicht in der Lage, die Zusammenhänge
richtig zu erkennen. Die Erlösungstat Jesu am Kreuz gibt uns die Freiheit zu
wählen, ob wir weiter sündigen wollen oder nicht. Diese Tat geschah aus lauter
Gnade, aus lauter Liebe Gottes gegenüber dem Menschen. Er führte uns aus dem
Gefängnis des Fürsten der Finsternis, indem Er ihn besiegt hat und gibt dem Menschen
die Freiheit. Nun hat aber der Mensch die freie Wahl, diese Freiheit anzunehmen
oder in der Sklaverei der Sünde zu verbleiben. Viele entscheiden sich nicht für
die Freiheit, weil ihnen der Sklavenstand in der Sünde gefällt, ob ihr Herr nun
Satan ist oder nicht, interessiert sie nicht, mit der Sünde lässt sich
schliesslich sehr angenehm leben.
Der
Mystiker weiss, da er eben die Zusammenhänge besser erkennt, dass ihn die Sünde
von Gott trennt – und erachtet die obigen beiden Aussagen Luthers als blanke
Blasphemie. Er weiss, dass die Vergebung aller seiner Sünden nicht an den Glauben
allein, sondern an drei äusserst wichtige Bedingungen geknüpft sind: Zuerst
benötigen wir eine vom Geist gewirkte tiefgreifende Sündenerkenntnis mit dem
darauf folgenden Bussetun. Wenn die begangenen Sünden uns nicht unsere
Verlorenheit vor Augen führt, nützt aller „Glauben“ rein gar nichts. Zum
Zweiten muss die Sündenerkenntnis die totale Abkehr von der Sünde bewirken. Erst
die allerfesteste Vornahme, nicht mehr sündigen zu wollen, ist die Grundlage
für die Sündenvergebung – nicht der Glaube allein! Und wenn wir trotz unseres
Ernstes nicht mehr zu sündigen zu wollen, trotzdem wieder fallen, so haben wir
einen Fürsprecher im Himmel.
Der dritte
Punkt für die Sündenvergebung ist der, dass wir selbst allen (wirklich allen!) Menschen
vergeben, welche sich auf die eine oder andere Art gegen uns versündigt haben.
Wie oft höre ich von Geschwistern, dass sie wirkliche Kinder Gottes seien.
Einer nennt sich sogar (als Nickname) „Sohn Gottes“. Wenn man aber den einen
oder andern fragt, ob er allen seinen Schuldigern vergeben hat, dann kommen tausend
Ausreden und Abwägungen.
Alle diese
drei Punkte sind eigene Anstrengungen. Also Werke, welche wir selber tun
müssen. Wir sehen daraus, dass mit dem „Glauben allein“ und „ohne Werke“ keine
einzige Seele vor Gott gerecht sein wird.
Mit dieser
Bemerkung kommen wir nun zum eigentlichen heutigen Thema.
Die
christliche Mystik ist auch bekannt unter „dem Weg des Leidens“. Der Weg des
Leidens ist der Weg des Kreuzes. Und der Weg des Kreuzes heisst unter anderem
auch Anfechtungen und Versuchungen.
Wenn wir in
der Heiligen Schrift über Anfechtungen und Versuchen nachlesen, so werden wir
etwas verwirrt, da offensichtlich ein Widerspruch besteht:
„Wachet
und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet!“ (Mk. 14. 38 und Mt. 26. 41)
Jesus mahnt
uns somit, aufzupassen, dass wir nicht in Anfechtungen fallen und Jakobus,
welcher ja diese Worte Jesu mit eigenen Worten gehört hat, sagt viele Jahre
später:
„Meine
Brüder, achtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen
geratet ...“ (Jak. 1. 2)
Wir sehen
an diesem Beipiel einmalmehr, wie ein einzelnes Wort, das hinzugefügt oder
weggelassen wird, einen ganz andern Sinn ergibt. Wir haben das ja schon bei
Luthers hinzugefügtem „durch Glauben allein“
gesehen, nun haben wir daselbe im weggelassenen Wort „der“. Wären Jesu Worte so wiedergegeben: „...daß ihr nicht in der Anfechtung fallet“, so gäbe der Satz
einen ganz anderen Sinn und würde mit dem Jakobus-Wort harmonisch
korrespondieren.
Es geht
nicht darum, dass wir keine Anfechtungen haben sollten. Im Gegenteil,
Anfechtungen und Versuchungen sind Lektionen fürs Leben und auch Prüfungen in
der seelisch/geistigen Entwicklung.
„Meine
Brüder, achtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen
geratet, da ihr ja wisset, daß die Bewährung eures Glaubens Geduld wirkt. Die
Geduld aber soll ein vollkommenes Werk haben, damit ihr vollkommen und ganz
seiet und es euch an nichts mangle.“
Wie oft
habe ich Klagen und Jammern gehört in der Kirche, wenn Anfechtungen einem
wieder das Leben schwer machen. Und dann sind diese Anfechtungen für die ganze Gemeinde
ein ernstzunehmendes Gebetsanliegen. Dabei sollen die Anfechtungen eigentlich
ein Grund der Freude sein – oder nicht?
Wir sehen
hier den grossen Unterschied der Kirchen-Christen und dem Mystiker Jakobus, der
seinen Christus nicht weit weg im fernen Himmel sucht, sondern im eigenen
Herzen, weiss, dass
„Selig
ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er sich bewährt hat,
wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott denen verheißen hat, die
ihn lieben!“ (Vers 12)
Der Sinn
der Anfechtung ist die Bewährung, welche die Voraussetzung ist für den Empfang
der Krone des Lebens. Wenn wir also wie eingangs erwähnt, „tapfer drauflos sündigen und noch tapferer glauben“ (Luther), wie
sollen wir uns damit bewähren und die Krone des Lebens empfangen können?
Auch Jesus
ist in der Wüste von Anfechntungen, bzw. von Versuchungen heimgesucht worden. Hat
Er darum gebetet, nicht versucht zu werden? Nein, Er ist ihnen entgegen
getreten und hat sich bewährt. Er ist der Sünde nicht erlegen.
Genau das
soll auch unser Ziel sein: Der Sünde nicht erliegen, sich in der Anfechtung und
Versuchung bewähren!
Doch das
ist einfach gesagt – die Praxis sieht anders aus.
Wie funktionierts in der Praxis?
Eigentlich
ist es so wie mit allen unseren Unzulänglichkeiten: Die Lösung liegt so nah und
ist so leicht. Nur unsere Blindheit hindert uns, diese zu erkennen und zu
erlangen. Unsere Schwachheit, besonders, wenn sie durch langjähriges Sündigen
noch verstärkt worden ist, kann nur in der bedingungslosen Hingabe überwunden
werden. Diese Hingabe muss aber alle Lebensbereiche umfassen, was dann wiederum
mit anderen Schwierigkeiten verbunden ist. Es ist einfach zu sagen, „liebe Gott
über alles“, aber wenn diese Liebe dann ernst gemeint ist im Hinblick darauf,
dass die alten Narben der Seele geheilt werden sollen, dann macht uns die
Umwelt, nämlich die lieben Angehörigen, bestimmt einen Strich durch die
Rechnung.
Die Hingabe
an Christus muss total sein. Eine halbe Sache oder einfach eine gute Absicht,
helfen wenig. Wenn Du aber die Liebe zu Gott mit Deinem ganzen Herzen, mit
Deiner ganzen Seele und mit Deinem ganzen Gemüte leben willst, dann bist Du von
einer Stunde auf die andere ein Spinner, ein Fanatiker, ein Extremer, ein Radikaler,
politisch sogar ein Rechtsradikaler, den man nicht mehr Ernst nehmen kann.
Willst Du Gott konsequent über alles lieben, verlierst Du, wenn es gut geht,
vor der Welt Dein Gesicht, Deine Ehre, und wenn es schlecht geht, wirst Du
gehasst und verfolgt. Machst Du bei der Sünde nicht mehr mit, willst Du Dich
mit allen Tugenden bewähren, dann hast Du Dich selbst von Deinen Nächsten isoliert
und keiner kann Dich mehr verstehen.
Wohlverstanden,
ich sage das, wenn Du mit der letzten Konsequenz, Jesu nachfolgen willst, bist
Du in der Welt verloren und wirst ausgelacht, wohin immer Du kommst. Nicht so,
wenn Du nur davon sprichst. Wenn Du in der Versammlung laut vorbetest, mit
Liebe Dich der Seelsorge hingibst, mit Worten Jesus bezeugst wo immer Du
hinkommst und an allen möglichen Missionseinsätzen teilnimmst, wirst Du keine
Probleme haben. Niemand wird Dich auslachen und noch weniger hassen, sondern
Dich für Deine selbstlose Treue der Kirche loben. Nur eines darfst Du nicht:
Die Sünde beim Namen nennen, bekennend ohne Sünde leben, meditieren,
Kontemplation üben und um die Gabe der Weissagung bitten.
Dabei liegt
genau hier die Krux. Die Anfechtung mit Gelassenheit, ja sogar mit Freude
annnehmen um ihr zu widerstehen, können wir nur, indem wir in der Mediation und
in der Kontemplation geübt sind. Um aber die Meditation und die Kontemplation
zu üben, brauchen wir auch ein gehöriges Mass an Liebe zu Christus, Liebe zur
Wahrheit, was ja schlussendlich wieder reine Gnadengabe ist. Darum: Die Hingabe,
das Trachten nach dem Himmelreich ist die Lösung, um überhaupt in die
Meditation zu gelangen und im Herzen das
Himmelreich, Christus, bzw. Gott und
damit die geistigen Zusammenhänge erkennen zu können.
Ist nun
noch Lust an irgend einer Sünde oder auch nur profunde Weltliebe in unserem
Herzen vorhanden, so funktioniert dies alles nicht. Das Herz, unser Denken muss
frei sein, die Weltgeister dürfen keinen Zutritt mehr haben! So muss, wenn Erfolg im
Glauben erwartet wird, schon im Herzen Radikalität Einzug halten, da halbe
Sachen niemals zum Erfolg führen.
Versuche,
wenn Du es nicht schon gewohnheitsmässig tust, über diese Frage zu meditieren!
(Meditiere aber nur, wenn Du allen Weltgeistern abgesagt hast!)
Jesus segne
Dich!
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