Mittwoch, 31. August 2016

Leben im Geist




Mit dem "Leben im Geiste" meine ich nicht einfach ein gläubiges Leben führen, wie man das so landläufig versteht und damit aussagt, sonntags in die Kirche gehen, täglich morgens und abends ein Gebet verrichten und bei Gelegenheit auch von der Sündenvergebung zu zeugen. Unter "Leben im Geiste" verstehe ich ein noch tieferes Verständnis von der steten Gegenwart Jesu im Herzen. Eine festere Speise also, die vielleicht auch etwas schwerer zu verdauen ist. 

Da habe ich einmal folgenden Satz irgendwo gelesen "Den Buhlern und Buhlerinnen aber sage: Wer im Fleische wandelt, der wandelt im Tode, und seine Lust wird bald zur Speise der Würmer umgestaltet werden. Nur wer im Geiste wandelt, kommt zum Lichte, der Urquelle alles Lebens; sein Anteil wird ewig bestehen und sich vermehren."

Dieses Im-Geiste-Wandeln steht doch im direkten Zusammenhang mit den Paulusworten im Römerbrief "Aber fleischlich gesinnt sein ist der Tod, und geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede." (Luther-Übersetzung)

Geistig oder Geistlich?

An dieser Stelle möchte ich eine kleine Zwischenbemerkung einfügen bezüglich der "geistlichen Gesinnung". Ich für mich kann mit diesem Ausdruck überhaupt nichts anfangen. Ich denke nicht, dass Paulus von einer geistlichen Gesinnung gesprochen hat, denn eine solche gibt es doch gar nicht. Es gibt wohl "geistliche Musik" und das ist Kirchenmusik. Dann gibt es noch die Geistlichen, also die schwarz gekleideten Männer, die andächtig langsam und im feierlichen Ton einen Gottesdienst veranstalten. Wenn ich nun die geistliche Gesinnung mit diesen geistlichen Kirchenmänner in Verbindung bringe, dann bekommt der fragliche Ausdruck eine ganz andere Bedeutung, nämich "Wasser predigen und Wein trinken", weil das in den allermeisten Fällen der Fall ist. Deshalb: Der Geistlichen Gesinnung will ich also nicht das Wort reden, sondern will vielmehr von der "geistigen Gesinnung" sprechen. Es geht dabei ja auch um die Gesinnung nach dem Geiste Gottes, dem menschlichen, von Gott geschenkten Geist und schlechthin um die Beziehung zur unsichtbaren geistigen Welt.

In der Schlachter-Übersetzung ist es besser wiedergegeben. Dort steht "... die Gesinnung des Geistes aber Leben und Friede". Somit bleiben wir also bei der "Geistigen Gesinnung".

Doch was heisst geistig gesinnt sein? Jeder Gläubige, der den Gottesdienst besucht, sagt von sich, er sei geistig gesinnt und bezieht sich dann auf den zweit-folgenden Vers, wo steht "Ihr aber seid nicht im Fleische, sondern im Geiste, wenn anders Gottes Geist in euch wohnt ...".  Somit ist also jeder Gläubige im Geiste, da ja niemand den Namen Jesu aussprechen kann denn durch den Heiligen Geist.
Ja, so einfach ist das. Aber trotzdem: So einfach ist das eben doch nicht. Die Alternativformel "Man hat den Heiligen Geist oder man hat ihn nicht", stimmt eben nicht. Und schon gar nicht nach dem charismatischen Verständnis, bei welcher die Erfüllung des Heiligen Geistes durch Handauflegen sozusagen weitergegeben werden kann. 

Den Heiligen Geist hat jeder Mensch. Oder besser gesagt, den Geist aus Gott hat jeder Mensch. Seien es irakische Kopfabschneider oder sonstige Verbrecher, Buddhisten, Zauberer oder wer auch immer. Alle Menschen haben einen von Gott gegebenen Geist. Dieser Geist äussert sich bei allen Menschen in Form des Gewissens. Gehorcht man dem Gewissen, dann wird dieser Geist immer stärker. Ignoriert man ihn aber (vielleicht durch eine bestimmte Ideologie), dann zieht sich dieser Geist Gottes zurück und die Seele mit dem Leib lebt dann ein irdisches Leben wie ein höheres Tier.
Menschen, welche sich  für das Geistige, das Göttliche interessieren, können das nur, weil der Geist Gottes schon ein Beträchtliches in ihnen gewachsen ist, denn dieser Geist ist es, der die Tiefen der Gottheit erforscht. Dieses Wachsen des Geistes ist die eigentliche Entwicklung des Menschen. Wünschenswert wäre es, dass der Entwicklung dieses Geistes im Menschen keine Hindernisse in den Weg gestellt werden. Wäre das der Fall, dann würde das Wachstum des Geistes sehr bald dazu führen, dass die Seele von Ihm total erfüllt, das heisst, dass die Seele total durchgeistigt wäre und danach auch der Leib diese Durchgeistigung erfahren würde, wie Paulus das im zweiten Korintherbrief kurz erwähnt hat. 

Soweit so schön und so gut. Aber unser Problem liegt darin, dass unser Geist eben nicht ohne diese Hindernisse wachsen kann, dass die Seele diesem Geist Grenzen setzt oder kleinere und grössere Steine in den Weg legt. Das macht die Seele nicht, weil sie dem Geiste entgegenstehen will, sondern weil die fleischliche Gesinnung die Seele nicht aus ihren Klauen lässt. Die Seele müsste sich aber mit Gewalt von der fleischlichen Gesinnung losreissen und sich der geistigen Gesinnung hingeben.
Und hier haben wir ein weiteres Problem. Die Gläubigen in den e-Kirchen werden gelehrt, dass das eben nicht sein muss. Ein gewaltsames Losreissen von der fleischlichen Gesinnung sei nicht möglich, da wir ja noch im Fleische leben und Jesus uns aber am Kreuz davon erlöst habe. Deshalb sind alle diejenige, welche diese kirchliche Auslegung befürworten und für die Wahrheit halten, auf der einen Seite fleischlich und auf der anderen Seite gestlich gesinnt. Sie erkennen ja durchaus, dass die fleischliche Gesinnung sie immer wieder in die Sünde führt, aber sie flüchten dann immer unters Kreuz zur Vergebung. So geht das jahrelang, ja, das ganze Leben. 

Dieses Hin und Her ist das besagte Hindernis für das weitere Wachstum des menschlichen Geistes. Wer es einmal bis hierher geschafft hat, der hat wohl bereits eine gute Voraussetzung für das Leben im Geiste. Aber das eigentliche "Leben im Geiste" ist das noch nicht. Solange noch sexuelle Lüste, Geltungsbedürfnisse, Missgunst oder gar Neid vorhanden sind, solange ist die fleischliche Gesinnung noch präsent. In dem Masse, wie diese seelischen Laster überwunden werden, in dem Masse wächst das Leben im Geiste. Und in demselben Masse geschieht auch die Wiedergeburt des Geistes, bis man von einer "vollen Wiedergeburt" sprechen kann. Das ist ein Prozess, der über die Jahre geht und von der Seele einiges abverlangt. Das ist, was Jesus Selbstverleugnung und "das Kreuz auf sich nehmen" nennt. 

Das Leben im Geiste ist dann mit dem sogenannten "Glaubensleben" der kirchlichen Lehre nicht mehr zu vergleichen. 

Geistiges Verständnis des materiellen Lebens

Dieses Leben im Geiste bringt es mit sich, dass man das materielle Leben mit geistigen Augen sieht. Mit der Überwindung der fleischlichen Lüste geht auch eine Loslösung der selischen Verbundenheit mit der Materie einher. Man gewinnt Distanz und wie wenn man direkt an einem Waldrand steht, sieht man dessen Ausmass nicht. Hat man aber eine grössere Distanz, sieht man zwar  die einzelnen Bäume nicht mehr, aber das Ausmass und die Lage wird ersichtlich. Mit dem geistigen Auge gesehen verliert die Materie ihren Reiz immer mehr und man erkennt zunehmend, wie die Materie letztlich nur eine Entsprechung zum Geistigen ist. So auch alles, was materiell geschieht, eben geistig bereits schon geschehen ist. Oder anders gesagt, materiell kann nichts geschehen, was nicht schon geistig bereits geschehen ist. Deshalb heisst es auch in der Schrift, dass nicht ein Haar vom Haupte fällt ohne des Herrn Wille.

In diesem Zusammenhang will ich eine Begebenheit erzählen, welche gerade heute stattfand. Die Tochter (35) des Hauses lebt seit einem Jahr in Australien und ist z.Z. auf Besuch bei uns. Die Frage, welche sie schon einige Zeit mit sich herumträgt ist, ob sie in der Fremde, wo es ihr sehr gut  gefällt bleiben, heiraten und eine Familie gründen soll oder sich in ihrer Heimat wieder eine Stelle suchen und im "alten Tramp" weiterleben soll. Nun ist es gerade gestern Nacht in der Stadt Sao Paulo geschehen, dass zwei Typen sie im Auto mit einer Waffe überfallen wollten. Geistesgegenwärtig gab sie im letzten Moment Gas und entkam ihnen. Wie sie mir das heute erzählte, sagte ich zu ihr ganz spontan, dass sie damit die Antwort auf ihre quälende Frage der Zukunft erhalten habe und erklärte ihr, dass sie, die ja einiges Interesse für das geistige Leben hat, somit auch geistig geführt wird und dass man im materiellen Leben immer mit offenem (geistigen) Auge sehen und solche Zeichen verstehen soll.

Wenn man um geistige Führung bittet, muss man der erkannten geistigen Führung auch immer und umgehend gehorchen. Es wäre falsch, um Führung zu bitten, und dann aber den fleischlichen Lüsten weier zu gehorchen! Auch hier ein kleines Beispiel. Ich lese auf einer bekannten christlichen Webseite "wir sind ein Glaubens-Werk und werden ausschließlich von freiwilligen Spenden getragen". Diese Aussage ist ein Widerspruch in sich. Wenn dieses Glaubens-Werk unter der Führung des Himmlische Vaters ist, braucht es keinen Spendenaufruf, Geld ist dann kein Thema! 

Es geht nicht darum, dass man die Welt flieht. Es gibt so manches, das man tun muss: Man muss arbeiten, für die Familie sorgen und so vieles andere mehr.  Aber in allem, das wir tun sollen oder müssen, kann es eine geistige Führung geben. Wir sollen aber materielle Dinge nicht um deren Selbstwillen erledigen, sondern auch darin stets und nur die Angelegenheit Gottes im Auge behalten. "Alles, was ihr tut, tut im Namen des Herrn", steht nicht ohne Grund so in der Schrift. Oder: auch bei der materiellen Arbeit zuerst nach dem Himmelreich trachten, dann fällt alles zu (was dazu nötig ist).
Man könnte es sogar so ausdrücken: Wer ein Leben im Geiste führt, ist sein eigener Zuschauer. Es geschieht alles, was geschehen muss. Begebenheiten oder Kontakte, alles hat seinen Grund und alles führt immer zum Besten. Aber nur für diejenigen, die ihre geistigen Augen offen haben und das auch erkennen können.

Die Bibel

Für die begrenzte kirchliche Lehre ist die Bibel das Wort Gottes. Gott hat keine andere Ausdrucksform als die Bibel. Alles, was Er zu sagen hat, sagt Er durch die Bibel. Deshalb haben auch neuere Offenbarungen, Weissagungen und Gesichte nur einen sehr begrenzten oder gar keinen Wert, ja, schlimmer noch, dies alles sei vom Teufel persönlich.  

Die Bibel hat in den Kirchen einen Stellenwert, der, so kommt es mir oft vor, über demjenigen Gottes steht. Die Bibel wird oft zum Gott gemacht und man ist dann der Meinung, ist die Bibel mit dabei, ist auch Gott da, wenn nicht, ist auch Gott fern.

Doch was ist die Bibel? Ist sie nicht vielmehr wie eine Strassenkarte, welche dem Interessierten den rechten Weg aufzeigt? Die Bibel ist zweifelsohne das Wort Gottes, aber sie ist deswegen nicht Gott Selbst. Er hat uns durch sie den Weg gezeigt, wie man zu Ihm gelangt. Wenn ein Ortsunkundiger von Stuttgart nach Flensburg will, dann braucht er mit Sicherheit eine Strassenkarte und auch die Wegweiser, welche ihm die Orientierung geben. Ist er aber einmal in Würzburg auf der A7, dann kann er getrost die Karte zur Seite legen und auf dem eingeschlagfenen Weg bleiben. Die Wegweiser geben ihm die Sicherheit, dass er auf dem rechten Weg bleibt. So ist es auch beim Gott Suchenden. Um auf den rechten (zwar schmalen) Weg zu kommen, braucht er die Bibel und äussere Wegweiser. Hat er die H7 (Herzweg) einmal gefunden, dann geht es ihm wie dem Flensburg-Fahrer, die äussere Strassenkarte braucht er nicht mehr, die ständigen Orientierungtafeln geben ihm die Sicherheit, auf dem rechten Weg zu bleiben. 

Das will sagen, dass es anfänglich ausserordentlich wichtig ist, auf dem Heilsweg äussere Orientierung zu finden. Eben durch die Bibel zum Beispiel (es gibt auch andere). Sie zeigt den Weg zu Gott, zu Gott, der im Herzen und nirgendwo anders zu finden ist. Ist man einmal auf diesem Weg, dann braucht es die Bibel nicht mehr unbedingt, die innere Führung, die geistige Führung übernimmt dann die individuelle Führung bis zum Ziel. Und das ist auch gut so. Die Bibel, wie alles Schriftliche, gehört zum Aussenleben. Die innere Führung bedeutet das Innenleben. Wer aber diesen Punkt erreicht hat, dem braucht man dies nicht zu erklären, der weiss das selbst. Dieses reiche und sichere Innenleben ist dann das wahre Leben im Geiste, wenn man die materiellen Krücken nicht mehr benötigt. 

Johannes hat das schon gelehrt in seinem ersten Brief. Er sprach davon, dass man keine materiellen (Lehr-)Hilfe mehr braucht, sondern die innere Hilfe, die Salbung, dafür zuständig ist: "... und ihr bedürfet nicht, daß euch jemand lehre; sondern so, wie euch die Salbung selbst über alles belehrt ...".

Das ist das Ziel. Danach sollen wir trachten. Wir dürfen nicht in der Begrenztheit der evangelischen Lehre stehen bleiben, mit einem Fuss noch in der scheinbar unüberwindbaren fleischlichen und mit dem anderen Fuss in der schon geistigen Gesinnung. Wir sollen den Schritt wagen und bereit sein, alles in die Waagschale zu werfen. 

Am nächsten Mittwoch wollen wir sehen, wie es uns gelingen kann mit dem geistigen Auge immer besser sehen zu können. Bleib dran ...




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Jesus segne Dich!