Mittwoch, 20. Juli 2016

Dürfen Frauen predigen?


Nachdem wir uns letzte Woche die erste Frage dieser Schwester dem dritten Gebot Mosi gewidmet haben, wollen wir nun ihre zweite Frage betrachten. Sie schreibt weiter:
"Und was mir noch wichtig wäre: Warum sagt Paulus, dass Frauen in der Gemeinde schweigen sollen? In der Gemeinde, in der ich aufgewachsen bin dürfen Frauen erst seit diesem Jahr offiziell predigen. Ich finde das traurig, weil es doch auch weibliche Vorbilder braucht."

Liebe Schwester J.,

auf der einen Seite kann ich es nicht ganz nachvollziehen, weshalb regt ihr Frauen Euch auf, wenn die  Männer wenigstens zwei Stunden in der Woche am Sonntagmorgen noch Männer sein wollen um das Sagen zu haben? Sie gehorchen Euch Frauen doch die ganze Woche über ... Auf der anderen Seite aber spielt es doch auch keine Rolle, ob das Luther-Evangelium von einem Mann oder einer Frau gepredigt wird - oder anders gesagt, es spielt keine Rolle, ob die schlafenden Schäfchen von einem Mann oder einer Frau auf den Irrweg geführt werden - oder?  (:-))

Ich bitte Dich, verzeih mir den Sarkasmus. Aber manchmal ist es schwer, ihn zu zügeln. Nundenn, lassen wir das und gehen mit Ernsthaftigkeit dieser Frage auf den Grund.

Wer verbietet den Frauen das Predigen? Es sind die Bibeltreuen, welche die Bibel wortwörtlich nehmen. Sie lesen im 1. Kor. 14. 34 folgendes:
"Wie in allen Gemeinden der Heiligen, so sollen die Frauen in den Gemeinden schweigen; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen untertan sein, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie aber etwas lernen, so mögen sie daheim ihre Männer fragen; denn es steht einem Weibe übel an, in der Gemeinde zu reden."
Und wie es bei den Bibeltreuen so üblich ist, muss es genau so umgesetzt werden, wie es geschrieben steht. Anscheinend ist es heute noch Gang und Gäbe, dass den Frauen den Mund gestopft und Hüte aufgesetzt werden.

Nun ist es aber bei den Bibeltreuen ebenso üblich, dass sie vor allem jene Bibelverse wortwörtlich nehmen, welche ihnen nützen, bzw, jene Bibelverse, welche ihre Ideologie stützt. Bibeltreue sind niemals bibeltreu, wie wir jetzt eben sehen werden. "Bibeltreu" ist reiner Etikettenschwindel. Und weil das derart offensichtlich ist, erlaube ich mir auch hin und wieder einen Sarkasmus, weil man diese Leute einfach nicht ernst nehmen kann.

Wie oben schon erwähnt, das sog. Predigtverbot für Frauen entnehmen sie (die Bibelgetreuen) dem 1. Kor. 14. Interessanterweise aber kennen diese Bibeltreuen nur die Verse 34 und 35, die anderen Verse im selben Kapitel wie auch das Kapitel 12 ist für sie uninteressant, überholt oder sogar inexistent.  Sie merken nicht, dass ihre Auslegung der genannten Verse 34 und 35 im krassen Widerspruch steht zum Vers 12. 21, wo es heisst: "Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich bedarf deiner nicht, oder das Haupt zu den Füßen: Ich bedarf euer nicht!" Ja, die Männer können auch nicht sagen zu den Frauen: wir bedürfen euer nicht!!

Ebenso hat noch keiner dieser treuen Bibeltreuen gemerkt, dass der Rest des Kapitels 14 den eigentlichen biblischen Gottesdienst beschreibt! Ich kenne aber keine einzige "bibeltreue" Gemeinde, welche ihrem  Gottedienst das Kapitel 14 zu Grunde legt! Mit welcher Berechtigung werden einzig nur die beiden Verse 34 und 35 in Feld geführt und die restlichen Verse ignoriert?

Ich kann Dir sagen, weshalb das so ist. Schau, die Theologen müssen das Kapitel 14 (1. Kor) ignorieren. Wenn der Gottesdienst echt biblisch wäre mit Weissagungen, Offenbarungen und Gesichte zur Erbauung, zur Lehre und damit sich auch einzelne Gemeindeglieder bessern, d.h. ihre Seele läutern lassen, dann bräuchten wir nur noch geisterfüllte Älteste - und keine Theologen mehr - das ist die ganze Tragödie!

Was würde in Deiner Gemeinde geschehen, wenn da plötzlich einer aufstehen würde und eine Weissagung hätte? Oder wenn ein anderer mit einer Offenbarung aufwarten würde? Wie würde der
Pastor reagieren?

Bibeltreu würde bedeuten - so sollte man meinen - dass man alle Verse im NT ernst nimmt und befolgt. Dann würde der Gottesdienst eben so aussehen, wie ihn Paulus beschrieben hat:
"Wie ist es nun, ihr Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, so hat jeder von euch etwas: einen Psalm, eine Lehre, eine Offenbarung, eine Zungenrede, eine Auslegung; alles geschehe zur Erbauung!"
Solange der Gottesdienst nicht so aussieht und der Pastor als Alleinunterhalter fungiert, solange darf man auch den Frauen den Mund nicht verbieten und ihnen keine Hüte aufsetzen!  Entweder man nimmt das ganze Neue Testament ernst, oder man lässt das ganze NT bleiben!

Ja, meine liebe Schwester J., die Machenschaft in Deiner Gemeinde ist nichts anderes als ein eitles Getue, so nach dem Moto "... haben den Schein von Gottseligkeit, deren Kraft aber verleugnen sie. Solche meide!"

Ich freue mich aber, dass Du begonnen hast, dieses Getue zu hinterfragen, dass Du bereits gemerkt hast, dass in diesen Gemeinden sich mehr und mehr Widersprüche zeigen, je mehr man eben diese kuriosen "Wahrheiten" der Kirchen hinterfragt.

In der Liebe Jesu
Hans


Es gibt in den Schriften Pauli zwei Aussagen, welche absolut unverständlich sind und nicht zum Evangelium Jesu passen. Diese zwei Aussagen sind zum einen das, was wir eben besprochen haben, dass die Frauen schweigen sollen und sich Hüte aufzusetzen haben im Gottesdienst. Zum anderen aber ist die Aussage im Römerbrief 13, bezüglich der Obrigkeitshörigkeit.

Beide Aussagen passen eigentlich nicht zu Paulus und ich habe mich schon oft gefragt, wie das nur sein kann, dass wir hier mit Aussagen konfrontiert werden, welche doch etwas ominös anmuten.

Mit dem Studium über Leben und Lehren des Martin Luther wurde mir dann einiges klar. Ich denke, dass bei diesen beiden Aussagen dasselbe geschah wie bei der Rechtfertigungs-Frage. So, wie Luther dort dieses Wörtchen "allein" zum "Glauben" hinzugefügt hat, so hat er wohl auch den beiden zur Frage stehenden Paulusworten etwas nachgeholfen und ihnen einen anderen Sinn gegeben - eben so, dass es seinem Naturell und seinen Absichten entgegenkam. Dass Luther selbst mit den Frauen ein eher etwas gestörtes Verhältnis hatte, ist allgemein bekannt. So machte er sich gerne über sie lustig und sagte z.B., "das Beste an den Frauen ist, dass sie Männer gebären".

Auch für die andere Aussage Pauli ist der Verdacht begründet, dass Luther hier ein bisschen gemogelt hat. Luther war sehr daran gelegen, dass das Volk obrigkeitshörig ist, da er selbst für seine Kirche die Obrigkeit auf seiner Seite haben musste. Also ein absolut politischer Beweggrund.

Noch einmal will ich betonen, dass alles, was in den e-Kirchen gepredigt wird, mit äusserster Vorsicht zu geniessen ist! Wer wirklich nach der Wahrheit sucht, wird sie niemals in den Kirchen finden, sondern einzig und allein nur im eigenen Herzen! Nur dort ist Jesus Christus zu finden. Es ist auch nicht angeraten, auf das immer wieder gepredigte Kommen Jesus Christi zu warten, denn Er ist schon längst hier - im Herzen eben!


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Jesus segne Dich!