Mittwoch, 20. Mai 2015

Mystik in der Bibel IV

Im Zentrum der christlichen Mystik steht das Kreuz. Anders als in der Mystik des Buddhismus, der Esotherik oder gar des Islam (Sufismus), steht die Kreuzigung Jesu für die Erlösung der Menschheit. Und zwar für die Erlösung aus der Knechtschaft der Sünde, also die Befreiung aus der Gefangenschaft Satans, in welche uns Adam einst gebracht hat. Es geht nicht um die Vergebung der Sünde, welche Du oder ich am nächten Samstag begehen werden, sondern um die Erbsünde. Dank der Erlösung müssen wir nicht mehr sündigen, Satan muss uns freigeben, wenn wir dies wollen. Leider wollen nur sehr wenige Menschen frei sein, die meisten – auch Christen! – bleiben in der Sklaverei, weil dieses Leben ihnen wohlbekommt.


Viele Kirchen-Christen sind der Meinung, Jesus sei für die Vergebung jener Sünden gestorben, welche sie am nächste Samstag begehen werden. Dies ist eine perfide Irrlehre. Diese Meinung, dass die noch nicht begangenen Sünden bereis vergeben sind, gründet sich auf einen gewissen Martin Luther:

"Sündige tapfer, aber glaube noch tapferer und freue dich in Christus, der Sieger ist über Sünde, Tod und Welt!" (Brief an Philipp Melanchthon vom 1.8.1521; Weimarer Ausgabe, Briefwechsel 2, Nr. 424)

Weiter liess dieser Evangeliums-Erfinder auch verlauten:
Der Mensch ist Sünder und Gerechter zugleich
pecca fortiter“ (sündige tapfer) und “iustus et peccator“ (Sünder und Gerechter) steht diametral der Bibel gegenüber. Aber die „Bibeltreuen“ (ach, wenn sie’s nur wären!) schert das nicht, wenn der Übervater Luther das sagt, wirds wohl stimmen.

Wer nur allein auf die Bibel konzentriert ist, ist nicht in der Lage, die Zusammenhänge richtig zu erkennen. Die Erlösungstat Jesu am Kreuz gibt uns die Freiheit zu wählen, ob wir weiter sündigen wollen oder nicht. Diese Tat geschah aus lauter Gnade, aus lauter Liebe Gottes gegenüber dem Menschen. Er führte uns aus dem Gefängnis des Fürsten der Finsternis, indem Er ihn besiegt hat und gibt dem Menschen die Freiheit. Nun hat aber der Mensch die freie Wahl, diese Freiheit anzunehmen oder in der Sklaverei der Sünde zu verbleiben. Viele entscheiden sich nicht für die Freiheit, weil ihnen der Sklavenstand in der Sünde gefällt, ob ihr Herr nun Satan ist oder nicht, interessiert sie nicht, mit der Sünde lässt sich schliesslich sehr angenehm leben.

Der Mystiker weiss, da er eben die Zusammenhänge besser erkennt, dass ihn die Sünde von Gott trennt – und erachtet die obigen beiden Aussagen Luthers als blanke Blasphemie. Er weiss, dass die Vergebung aller seiner Sünden nicht an den Glauben allein, sondern an drei äusserst wichtige Bedingungen geknüpft sind: Zuerst benötigen wir eine vom Geist gewirkte tiefgreifende Sündenerkenntnis mit dem darauf folgenden Bussetun. Wenn die begangenen Sünden uns nicht unsere Verlorenheit vor Augen führt, nützt aller „Glauben“ rein gar nichts. Zum Zweiten muss die Sündenerkenntnis die totale Abkehr von der Sünde bewirken. Erst die allerfesteste Vornahme, nicht mehr sündigen zu wollen, ist die Grundlage für die Sündenvergebung – nicht der Glaube allein! Und wenn wir trotz unseres Ernstes nicht mehr zu sündigen zu wollen, trotzdem wieder fallen, so haben wir einen Fürsprecher im Himmel.

Der dritte Punkt für die Sündenvergebung ist der, dass wir selbst allen (wirklich allen!) Menschen vergeben, welche sich auf die eine oder andere Art gegen uns versündigt haben. Wie oft höre ich von Geschwistern, dass sie wirkliche Kinder Gottes seien. Einer nennt sich sogar (als Nickname) „Sohn Gottes“. Wenn man aber den einen oder andern fragt, ob er allen seinen Schuldigern vergeben hat, dann kommen tausend Ausreden und Abwägungen.

Alle diese drei Punkte sind eigene Anstrengungen. Also Werke, welche wir selber tun müssen. Wir sehen daraus, dass mit dem „Glauben allein“ und „ohne Werke“ keine einzige Seele vor Gott gerecht sein wird.

Mit dieser Bemerkung kommen wir nun zum eigentlichen heutigen Thema.

Die christliche Mystik ist auch bekannt unter „dem Weg des Leidens“. Der Weg des Leidens ist der Weg des Kreuzes. Und der Weg des Kreuzes heisst unter anderem auch Anfechtungen und Versuchungen.

Wenn wir in der Heiligen Schrift über Anfechtungen und Versuchen nachlesen, so werden wir etwas verwirrt, da offensichtlich ein Widerspruch besteht:

Wachet und betet, daß ihr nicht in Anfechtung fallet!“ (Mk. 14. 38 und Mt. 26. 41)

Jesus mahnt uns somit, aufzupassen, dass wir nicht in Anfechtungen fallen und Jakobus, welcher ja diese Worte Jesu mit eigenen Worten gehört hat, sagt viele Jahre später:

Meine Brüder, achtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen geratet ...“ (Jak. 1. 2)

Wir sehen an diesem Beipiel einmalmehr, wie ein einzelnes Wort, das hinzugefügt oder weggelassen wird, einen ganz andern Sinn ergibt. Wir haben das ja schon bei Luthers hinzugefügtem „durch Glauben allein“ gesehen, nun haben wir daselbe im weggelassenen Wort „der“. Wären Jesu Worte so wiedergegeben: „...daß ihr nicht in der Anfechtung fallet“, so gäbe der Satz einen ganz anderen Sinn und würde mit dem Jakobus-Wort harmonisch korrespondieren.
Es geht nicht darum, dass wir keine Anfechtungen haben sollten. Im Gegenteil, Anfechtungen und Versuchungen sind Lektionen fürs Leben und auch Prüfungen in der seelisch/geistigen Entwicklung.  
Meine Brüder, achtet es für lauter Freude, wenn ihr in mancherlei Anfechtungen geratet, da ihr ja wisset, daß die Bewährung eures Glaubens Geduld wirkt. Die Geduld aber soll ein vollkommenes Werk haben, damit ihr vollkommen und ganz seiet und es euch an nichts mangle.

Wie oft habe ich Klagen und Jammern gehört in der Kirche, wenn Anfechtungen einem wieder das Leben schwer machen. Und dann sind diese Anfechtungen für die ganze Gemeinde ein ernstzunehmendes Gebetsanliegen. Dabei sollen die Anfechtungen eigentlich ein Grund der Freude sein – oder nicht?

Wir sehen hier den grossen Unterschied der Kirchen-Christen und dem Mystiker Jakobus, der seinen Christus nicht weit weg im fernen Himmel sucht, sondern im eigenen Herzen, weiss, dass

Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er sich bewährt hat, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott denen verheißen hat, die ihn lieben!“ (Vers 12)

Der Sinn der Anfechtung ist die Bewährung, welche die Voraussetzung ist für den Empfang der Krone des Lebens. Wenn wir also wie eingangs erwähnt, „tapfer drauflos sündigen und noch tapferer glauben“ (Luther), wie sollen wir uns damit bewähren und die Krone des Lebens empfangen können?
Auch Jesus ist in der Wüste von Anfechntungen, bzw. von Versuchungen heimgesucht worden. Hat Er darum gebetet, nicht versucht zu werden? Nein, Er ist ihnen entgegen getreten und hat sich bewährt. Er ist der Sünde nicht erlegen.

Genau das soll auch unser Ziel sein: Der Sünde nicht erliegen, sich in der Anfechtung und Versuchung bewähren!

Doch das ist einfach gesagt – die Praxis sieht anders aus.

Wie funktionierts in der Praxis?

Eigentlich ist es so wie mit allen unseren Unzulänglichkeiten: Die Lösung liegt so nah und ist so leicht. Nur unsere Blindheit hindert uns, diese zu erkennen und zu erlangen. Unsere Schwachheit, besonders, wenn sie durch langjähriges Sündigen noch verstärkt worden ist, kann nur in der bedingungslosen Hingabe überwunden werden. Diese Hingabe muss aber alle Lebensbereiche umfassen, was dann wiederum mit anderen Schwierigkeiten verbunden ist. Es ist einfach zu sagen, „liebe Gott über alles“, aber wenn diese Liebe dann ernst gemeint ist im Hinblick darauf, dass die alten Narben der Seele geheilt werden sollen, dann macht uns die Umwelt, nämlich die lieben Angehörigen, bestimmt einen Strich durch die Rechnung.  

Die Hingabe an Christus muss total sein. Eine halbe Sache oder einfach eine gute Absicht, helfen wenig. Wenn Du aber die Liebe zu Gott mit Deinem ganzen Herzen, mit Deiner ganzen Seele und mit Deinem ganzen Gemüte leben willst, dann bist Du von einer Stunde auf die andere ein Spinner, ein Fanatiker, ein Extremer, ein Radikaler, politisch sogar ein Rechtsradikaler, den man nicht mehr Ernst nehmen kann. Willst Du Gott konsequent über alles lieben, verlierst Du, wenn es gut geht, vor der Welt Dein Gesicht, Deine Ehre, und wenn es schlecht geht, wirst Du gehasst und verfolgt. Machst Du bei der Sünde nicht mehr mit, willst Du Dich mit allen Tugenden bewähren, dann hast Du Dich selbst von Deinen Nächsten isoliert und keiner kann Dich mehr verstehen.

Wohlverstanden, ich sage das, wenn Du mit der letzten Konsequenz, Jesu nachfolgen willst, bist Du in der Welt verloren und wirst ausgelacht, wohin immer Du kommst. Nicht so, wenn Du nur davon sprichst. Wenn Du in der Versammlung laut vorbetest, mit Liebe Dich der Seelsorge hingibst, mit Worten Jesus bezeugst wo immer Du hinkommst und an allen möglichen Missionseinsätzen teilnimmst, wirst Du keine Probleme haben. Niemand wird Dich auslachen und noch weniger hassen, sondern Dich für Deine selbstlose Treue der Kirche loben. Nur eines darfst Du nicht: Die Sünde beim Namen nennen, bekennend ohne Sünde leben, meditieren, Kontemplation üben und um die Gabe der Weissagung bitten.
Dabei liegt genau hier die Krux. Die Anfechtung mit Gelassenheit, ja sogar mit Freude annnehmen um ihr zu widerstehen, können wir nur, indem wir in der Mediation und in der Kontemplation geübt sind. Um aber die Meditation und die Kontemplation zu üben, brauchen wir auch ein gehöriges Mass an Liebe zu Christus, Liebe zur Wahrheit, was ja schlussendlich wieder reine Gnadengabe ist. Darum: Die Hingabe, das Trachten nach dem Himmelreich ist die Lösung, um überhaupt in die Meditation zu gelangen und  im Herzen das Himmelreich, Christus, bzw. Gott  und damit die geistigen Zusammenhänge erkennen zu können.

Ist nun noch Lust an irgend einer Sünde oder auch nur profunde Weltliebe in unserem Herzen vorhanden, so funktioniert dies alles nicht. Das Herz, unser Denken muss frei sein, die Weltgeister dürfen keinen  Zutritt mehr haben! So muss, wenn Erfolg im Glauben erwartet wird, schon im Herzen Radikalität Einzug halten, da halbe Sachen niemals zum Erfolg führen.

Versuche, wenn Du es nicht schon gewohnheitsmässig tust, über diese Frage zu meditieren! (Meditiere aber nur, wenn Du allen Weltgeistern abgesagt hast!)

Jesus segne Dich!



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