Mittwoch, 14. September 2011

Das Wesen der Nächstenliebe


Der Begriff der Liebe, der Nächstenliebe, hat im Natürlichen Leben eine völlig andere Bedeutung als im Geistigen Leben. Für die naturmässigen Menschen wird die Liebe, wenn nicht auf das Körperliche, auf die zwischenmenschliche Beziehung bezogen und hier können verschiedene Motive für die Werke der Nächstenliebe zum Selbstzweck dienen. Ein solches Motiv ist die Schuld. Man erfährt von einem Mitmenschen, wie dieser eine gute Tat vollbringt, und schon fühlt man sich in Abhängigkeit, eben in der Schuld. Man fühlt sich gezwungen, die Gute Tat mit einer anderen Guten Tat zurück zu bezahlen. Ein zweites Motiv kann sein, dass man mit einer Guten Tat den Nächsten bewusst in Abhängigkeit bringen will um bei Bedarf auf ihn zählen zu können.

Ein drittes Motiv für die Nächstenliebe ist – immer in natürlicher Weise gesehen – den Hochmut in mehr oder weniger gut gespielter Demut zu verwandeln und das gute Herz zur Schau zu stellen. Man spendet, opfert und unterstützt um Anerkennung und Dank zu erheischen. Dann gibt es noch ein viertes Motiv, weshalb der natürliche und gläubige Mensch Liebestaten vollbringt. Er macht ein Geschäft mit Gott in dem er sich einen Lohn ausmalt oder sich den Eintritt in den Himmel zu verschaffen sucht.

Die Liebe im Geistigen Sinn

Im Geistigen Leben aber hat die wahre Liebe zum Nächsten eine ganz andere Bedeutung.

Wahre Liebe zum Nächsten bedeutet Eins sein. Eins sein ist das Verstehen des Verhaltens und der Ursache eines jeden Gedankens. Eins sein benötigt kaum noch Worte, denn es ist die lebendige Verbindung in dem Einen Geiste Gottes. Ob unser Nächster ein Glaubensbruder oder ein Verräter ist, tut nichts zur Sache.

Diese Liebe  ist niemals auf Anerkennung und Gegenliebe aus und kann deshalb durchaus einseitig sein. Aber – Eins sein mit Weltmenschen, geht denn das überhapt? 

Um eins sein zu können mit dem Nächsten muss natürlich erst einmal der Geist im Herzen erweckt sein, weil ohne eine solche Erweckung absolut keine geistige Verbindung möglich ist. Selbst in jedem Weltmenschen ist ein minimaler Geistfunken vorhanden, sonst könnte dieser Mensch ja nicht leben, sich nicht bewegen, nicht atmen und nicht denken. Auch wenn noch kein Geistiges Licht vorhanden ist, so kann ein erweckter Geist Gottes durchaus Verbindung mit solch einem noch schlafenden oder noch glimmenden Geistfunken in Verbindung kommen, was natürlich für dessen Belebung eine willkommene Stärkung ist. Die wahre, selbstlose Liebe ist dieses Eins sein im Geiste, in welchem der Reifegrad überhaupt keine Rolle spielt.

Um der Geistigen Nächstenliebe fähig zu sein, bedarf es eines schon fortgeschrittenen Entwicklungsstandes der Seele. Die Reihenfolge gibt uns Jesus vor: Liebe Gott mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Gemüte und (dann daraus hervorgehend) liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Warum dieser Sachverhalt so wichtig ist, das heißt, warum der Nächstenliebe die Liebe zu Gott vor her geht, wollen wir jetzt erläutern.

Es ist die Liebe zu Gott, welche den Gottesgeist im Herzen erwecken und wachsen lässt. Einen anderen Weg gibt es nicht. Das intellektuelle Wissen um das Wort Gottes hilft hierbei wenig, sondern nur die Liebe um der Liebe willen, ohne Absichten, ohne Hintergedanken. Die Liebe zur Wahrheit, die Liebe zum Schöpfer, das Drängen um die Gewissheit und dem Zusammenhang der Geistigen Realität ist der "Motor", der den Geist Gottes zunehmen lässt. Wenn dieser Geist nicht gehindert wird, so erforscht er alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.

Wenn die Seele mal erkannt hat, dass eigentlich nur sie mit ihrem angeborenen Hochmut es ist, welche das Wachstum des Geistes hindert, dann beginnt sie, den Wunsch der Demut zu formulieren. Und dann beginnt der Kampf. Während dieses Kampfes sind es dann viele, ja sehr viele Gläubige, denen der Wille fehlt, den Eigenwillen, den Hochmut, welcher der alte Trotz gegen Gott ist, bis zum Letzten zu bekämpfen. Das ist das eigentliche Kreuz, das Jesus uns empfahl, es auf uns zu nehmen.

Das Wesen des Kreuzes ist es, das Ego bis zu den letzten Zuckungen zu töten. Ist der Eigenwille, der Hochmut und der Trotz einmal besiegt, dann steht die Seele in der Demut. Am nächsten Mittwoch will ich genauer noch auf den Kreuzesweg, den Tod und der Auferstehung der Seele eingehen. Ohne die Liebe zu Gott, zu dem Geistigen Leben, ist der Kreuzesweg nicht möglich. Und ohne Demut, welche gegen das Ende des Kreuzesweges auf uns harrt, ist auch die Liebe zum Nächsten nicht möglich, wenn man mal von der natürlichen Art der Nächstenliebe absieht. Die wahre, selbstlose Liebe zum Nächsten ist eine anonyme Liebe. Sie liebt nicht nur den Geistesbruder, sondern auch den Widersacher, den Verfolger, den Verräter und den Räuber. Die wahre Nächstenliebe weiß um die Nöte von kranken und verwundeten Seelen, sie weiß um den Zustand der Finsternis, das heißt dem völligen Fehlen des Geistigen Lichts und wie schwer es eine solche arme Seele hat, Frieden und Ruhe zu finden, weil sie sich nach der vergänglichen Materie orientiert und damit ohne je Leben gehabt zu haben, im Tode verweilt. Darum erträgt die Liebe alles, glaubt alles, hofft alles und duldet alles. Diese Liebe ist langmütig und gütig, sie neidet nicht, tut nicht gross und bläht sich nicht auf, weil der Eigenwille, der ja immer wieder in eine Sachgasse führt, der Seele, oder besser gesagt dem Geiste zum Eckel geworden ist. Darum hat die Seele im freien Willen dem Eigenwillen abgesagt und stattdessen dem Willen Gottes erlaubt, die Seele zu führen und sie zu erfüllen. Diese Seele in der völligen Demut erträgt alles, also auch den eigenen Lebenspartner, den Nachbar, den Arbeitskollegen und den Chef.

Frei vom Eigenwillen, vom eigenen Grosstun ist die Seele in der Lage, das Verhalten wie den Ursprung der Gedanken des Nächsten zu verstehen. Fehler und Sünden der Widersacher kann sie nachvollziehen und ist dadurch frei vom anklagen und richten. Frei für die wahre Liebe, diese verirrte Seele zu segnen und sie im Gebet mitzutragen.



Geschrieben aus der Erkenntnis, die der Geist Gottes mir ins Herz gegeben hat.


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